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Die heftige Debatte um den "Politischen Islam"

Auf den Debatten-Seiten der „Presse“ wurde zuletzt viel über den „Politischen Islam“ und „Islamophobie“ diskutiert. Die aktuellen Beiträge im Überblick.

Zuletzt ist in Österreich ein Konflikt in der Wissenschaft deutlich zu Tage getreten, nämlich jener um den „Politischer Islam“. Die Diskussion befeuerte nicht zuletzt der in Salzburg lehrende Politologe Farid Hafez, der die jüngsten Razzien bei mutmaßlichen Muslimbrüdern in Österreich mit den Novemberpogromen 1938 verglich. Die Universität hat sich von ihm distanziert. Feuilleton-Redakteurin Anne-Catherine Simon schreibt dazu in einem Kommentar: „Man hätte sich schon früher überlegen können, ob Hafez' Arbeit generell universitären Standards genügt.“ In ihrer Kritik bezieht sie sich unter anderem um den von Hafez mit-herausgegebenen „Islamophobie-Report“. Dieser hatte bereits im Vorjahr nach einem Offenen Brief an die EU-Kommission für Aufregung gesorgt.

Aber auch die neu geschaffene „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ in Wien, errichtet von Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), sorgt für Kontroversen. Es gehe ihr darum, zwischen dem Islam als Religion und der gefährlichen extremistischen Ideologie des politischen Islam zu unterscheiden, erklärt Raab ihre Motivation immer wieder.

Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Dokumentationsstelle ist Mouhanad Khorchide, geboren in Beirut, ein österreichischer Soziologe und Islamwissenschaftler. In einem Gastkommentar in der „Presse“ fragt er: „Sind wir nicht schon längst auf den Politischen Islam hereingefallen?“ Seine Position: Natürlich würden viele Religionsgemeinschaften gesellschaftspolitischen Einfluss nehmen wollen. Es gebe aber einen Unterschied, den man klar definieren könne: „Der Politische Islam ist eine Herrschaftsideologie, die demokratiefeindlich ist."

Politologe Hafez meint in einer Replik auf Khorchide, ihn störe nicht die akademische Debatte um den Politischen Islam. „Die Kritik richtet sich gegen die Verwendung der Begriffe vonseiten politischer Akteure.“ Er spricht unter anderem die Debatte um das Kopftuch im Schulbereich an und sieht einen Versuch, „Grundrechte auszuhöhlen".

»„Seit Jahren versucht die ÖVP diesen wissenschaftlich gänzlich unbrauchbaren Begriff des 'Politischen Islam' zu popularisieren – ohne Erfolg.“«

Rami Ali

Kritik übt auch der Islamwissenschaftler Rami Aliin einem Gastkommentar. Er meint: „Seit Jahren versucht die ÖVP diesen wissenschaftlich gänzlich unbrauchbaren Begriff des 'Politischen Islam' zu popularisieren – ohne Erfolg.“ Denn bis heute gebe es keine funktionierende Definition dafür, schreibt er.

Der Universitätsdozent und ehemalige Diplomat Arno Tausch sieht das anders und wirft wiederum Hafez vor, wie ein Politiker zu agieren. „Es ist gut, dass die österreichische Bundesregierung dem Politischen Islam einen Riegel vorschieben will“, schreibt er. Und fügt hinzu, dass es eine „Islamophobie“ gibt, über die zu wenig gesprochen wird. Ziele des islamistischen Terrors seien nämlich auch „Bildungsinstitutionen und religiösen Führungskräfte in der muslimisch geprägten Welt, die die Ideologie des Terrors und seines Umfeldes ablehnen.“

Der Politologe Benjamin Opratko, der zum Thema Rassismus und Islam forscht, bringt wieder andere Argumente aufs Tapet. „Wie in jeder anderen Weltreligion finden sich auch im Islam politische Orientierungen von links bis rechts, demokratisch bis autoritär, liberal bis konservativ, pazifistisch bis gewaltorientiert“, schreibt er. Er sieht eine Generalisierung beim Thema „Politischer Islam“ und ist damit bei seinem eigentlichen Thema: „Dass es Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus gibt, denen Menschen ausgesetzt sind, weil sie Musliminnen und Muslime sind."

»„In einem liberalen Rechtsstaat auch eine fundamentalistische religiöse Überzeugung zulässig sein – aber nur, solang sie nicht in die Nähe zur Beihilfe kommt.“«

Christian Ortner

Auch Querschreiber Christian Ortner schaltet sich in die Debatte ein. Er zitiert einerseits den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan  ("Es gibt keinen Islamismus, es gibt nur einen Islam“) und verweist auf Umfragen, die Muslime in Europa zu ihrer Einstellung zur Demokratie befragen: „Alles Indizien sprechen dafür, dass Fundamentalismus unter Europas Muslimen nicht eben eine exotische Ausnahme sein dürfte“, so Ortner. Er meint auch: „In einem liberalen Rechtsstaat auch eine fundamentalistische religiöse Überzeugung zulässig sein – aber nur, solang sie nicht in die Nähe zur Beihilfe kommt.“ Fundamentalismus schaffe nämlich ein Biotop, das Gewalt begünstigte.

Das sieht auch Ortners Kollege Karl-Peter Schwarz in seiner Kolumne so: „In der Folge der iranischen Revolution von 1979 gewann der Islamismus immer mehr Einfluss. Sein erklärtes Ziel ist die Weltherrschaft“, schreibt er in einem historischen Abriss. Schwarz meint: „Ein als 'totale Religion' verstandener Islam ist mit der Lebensweise und der Verfassung der westlichen Welt nicht vereinbar.

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