Serbien-Kosovo

Die vertuschten Kriegsverbrechen

Serbiens Präsident Aleksandar Vučić.
Serbiens Präsident Aleksandar Vučić.(c) APA/AFP/ANDREJ ISAKOVIC
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Die Entdeckung weiterer Massengräber und noch immer Vermisste belasten auch 20 Jahre nach Kriegsende die bilateralen Beziehungen schwer.

Belgrad. Von Versöhnung über den Gräbern zwischen den einstigen Kriegsgegnern Serbien und Kosovo keine Spur: Serbiens Präsident Aleksandar Vučić werde solange keine Einreisegenehmigung mehr erhalten, bis sich Belgrad „für den Genozid an unserer Bevölkerung entschuldigt“, kündigte Kosovos Außenministerin Meliza Haradinaj-Stublla diese Woche empört an.

Der Grund für den undiplomatischen Ausfall: Ein im südserbischen Dorf Kizevak bei Raska aufgefundenes Massengrab hat die kaum vernarbten Kriegswunden der beiden Nachbarn neu aufgerissen. Noch steht die DNA-Analyse aus. Aber vermutlich sind es die Überreste von mindestens 15 albanischen Opfern des Kosovokriegs (1998/9), die letzte Woche in dem Grab nach der Grenze zu Kosovo aufgefunden wurden. Zuvor waren seit Kriegsende die Leichen von 941 Kosovo-Albanern in Serbien geborgen und identifiziert worden.

Um die von serbischen Streitkräften in Kosovo begangenen Massaker zu vertuschen, hatte Ex-Despot Slobodan Milošević die Leichen der Opfer nach Serbien schaffen lassen. Nach seinem Fall wurden 2001 allein in einem Massengrab auf dem Gelände der Spezialeinheit der Polizei in Batajnica bei Belgrad die Überreste von 744 Kosovo-Albanern aufgefunden.

Über zwei Jahrzehnte liegt der Kosovokrieg zurück, der laut Erhebungen des Belgrader Fonds für Humanitäres Recht (FHP) insgesamt 13.518 namentlich erfasste Tote forderte – darunter 10.794 Albaner und 2917 Serben. Das Bombardement der Nato im Frühjahr kostete auf beiden Seiten 758 Menschenleben. Noch immer gelten 1647 Menschen als vermisst – 420 von ihnen sind serbischer Abstammung.

Kriegsverbrechen wurden sowohl von der UÇK als auch von serbischen Streitkräften und Milizen begangen. Doch die offene Konfrontation mit der im Namen der eigenen Nation begangenen Verbrechen fällt auf beiden Seiten schwer. Statt diese schonungslos aufzuarbeiten, ist grenzüberschreitend Verdrängen, Relativieren und Aufrechnen angesagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2020)

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