Sicherheit

Nach Wien-Terror: Verstärkter Schutz für religiöse Einrichtungen

Innenminister Karl Nehammer erläuterte die Aufgaben der schwer bewaffneten Cobra-Eingreif-Teams.
Innenminister Karl Nehammer erläuterte die Aufgaben der schwer bewaffneten Cobra-Eingreif-Teams.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Kirchen werden speziell bewacht. Der Terrorist könnte vorgehabt haben, die Ruprechtskirche zu stürmen.

Wien. Dem 20-jährigen Terroristen K. F., der am 2. November in der Wiener Innenstadt vier Menschen getötet und zwei Dutzend verletzt hat, ist es offenbar darauf angekommen, in der Nähe von religiösen Einrichtungen zuzuschlagen. Möglicherweise wollte er in die Ruprechtskirche eindringen, um dort vermutete Gläubige ins Visier zu nehmen (F. wurde von der Polizei vor der Kirche getötet). Dies legen Ermittlungen der 60-köpfigen Ermittlungsgruppe „2. November“ nahe. Im Zusammenhang damit gab Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag bekannt, dass der Schutz religiöser Einrichtungen ab sofort verstärkt werde.

Es sei essenziell, dass Menschen „frei ihre Religion ausüben dürfen“, erklärte Nehammer. Und kündigte den „verstärkten Schutz kirchlicher Einrichtungen“ an. Der Verfassungsschutz sei bereits mit den Religionsgemeinschaften in Kontakt getreten, um etwaige Auffälligkeiten und Schwachstellen im Bereich von religiösen Institutionen orten zu können.

Die heikle Phase nach dem Anschlag, der sich nahe der Wiener Hauptsynagoge in der Seitenstettengasse, dem Stadttempel, und eben auch in der Nähe der Ruprechtskirche abgespielt hat, sei noch nicht vorbei, so der Minister. Noch immer könnten sich Nachahmungstäter „berufen fühlen“, ähnliche Angriffe auf Zivilisten bzw. Gläubige auszuführen. Konkrete Anschlagspläne seien jedoch nicht bekannt geworden.

Ausbildung, um Verletzte zu versorgen

Aber nicht nur Einrichtungen verschiedener Religionen, sondern auch bestimmte Punkte in Ballungszentren, etwa Märkte, Bahnhöfe oder Sehenswürdigkeiten, werden nun verstärkt bewacht. Dazu wurden österreichweit schnelle Eingreifgruppen des Einsatzkommandos Cobra abkommandiert. Diese polizeilichen Teams (Rapid Response Teams) sollen bei „spontanen Einsatzlagen“, wie es im Jargon heißt, bewaffnete Täter „aufspüren und gegebenenfalls unwirksam machen“. Die dort diensttuenden Beamten haben zudem eine Ausbildung in der Versorgung von Verwundeten, speziell hinsichtlich Schuss- und Stichverletzungen. Wie viele derartige Teams in Österreich unterwegs sind, wurde aus taktischen Gründen nicht bekannt gegeben.

Fest steht, und dies zeigte am Donnerstag auch eine auf dem Minoritenplatz vor dem Innenressort vorgenommene Demonstration für Medien, dass die Beamten unter anderem mit Sturmgewehren bewaffnet sind, ballistische Schutzausrüstung tragen und gepanzerte Fahrzeuge fahren (SUV, Kleintransporter etc.). International verglichen werden können diese mobilen Einsatzgruppen etwa mit der englischen Sondereinheit SCO-19 (Specialist Crime and Operations), dem niederländischen DSI (Departement of Special Intervention) und der französischen Antiterroreinheit Raid. Das Einsatzkommando Cobra hat in Österreich acht Standorte: Wien, Wiener Neustadt, Graz, Linz, Innsbruck, Salzburg, Klagenfurt und Feldkirch. Die Cobra kann jeden Einsatzort in Österreich binnen 70 Minuten erreichen.

Indessen hat das Innenministerium den Verfassungsschutzbericht 2019 ohne die bisher übliche Präsentation auf seine Homepage gestellt. Demnach habe das Ressort eine erhöhte Gefahr islamistischer Anschläge schon vor dem Wien-Terror festgestellt. Der islamistische Extremismus stelle für Österreich, wie auch für andere Staaten, „eine anhaltende und erhöhte Bedrohung dar“, heißt es.

„Gefahr bleibt erhöht“

Und: „Die Gefahr von islamistisch motivierten Anschlägen durch radikalisierte Einzeltäter oder autonom agierende Kleinstgruppen und Zellen, die Anschläge ohne direkten Auftrag bzw. Anleitung einer terroristischen Organisation ausführen, bleibt in Europa sehr wahrscheinlich weiterhin erhöht.“ Zur Terrormiliz IS, der auch der Wien-Attentäter angehörte, wird festgehalten: Zwar habe der IS seine Territorien in Syrien und im Irak weitgehend eingebüßt, „dennoch gilt es festzuhalten, dass islamistische Propaganda nach wie vor Verbreitung findet, und lokal wie international können sowohl Anhänger als auch neue Unterstützer mobilisiert bzw. rekrutiert werden“.

Auch rechtsextremistische Gewalt sei weiter ein potenzielles Risiko für die öffentliche Sicherheit. Etwa Aggression und Agitation gegen die „Feindbilder“ Juden und Muslime, Islamisten, Roma und Sinti und Migranten.

Hingegen stelle der Linksextremismus „gegenwärtig keine ernsthafte Gefahr für die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Staats bzw. der Verfassung“ dar. Protestaktionen seien fallweise aber als Risiko für die öffentliche Sicherheit zu werten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2020)

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