"Tea Party": Der Marsch auf Washington

Tausende Anhänger der erzkonservativen "Tea Party"-Bewegung haben sich am Samstag zu einer Demonstration ihrer Macht versammelt. Kritiker unterstellen der Bewegung rassistische Untertöne.

Zehntausende rechtsgerichtete Gegner von US-Präsident Barack Obama haben am Samstag zwei Monate vor den Kongresswahlen mit einer Großkundgebung in Washington gegen die Politik der Regierung protestiert. Auf den Tag genau 47 Jahre, nachdem der Bürgerrechtler Martin Luther King an gleicher Stelle seine berühmte Rede gegen die Rassentrennung ("I have a dream") gehalten hatte, versammelten sich die Demonstranten der erzkonservativen Basisbewegung "Tea Party" am Lincoln Memorial, um ihrer Ablehnung gegen Obamas Politik Ausdruck zu verleihen.

Kampf gegen die Gesundheitsreform

Die konservative Bewegung lehnt sich an die sogenannte Boston Tea Party an. Die Bevölkerung hatte 1773 gegen die Steuerpolitik der Kolonialmacht Großbritannien aufbegehrt, indem die Bostoner eine Schiffsladung Tee ins Meer kippten. Drei Jahre nach dem Aufstand erlangten die USA ihre Unabhängigkeit. Die heutige Bewegung wirft Obama vor, er wolle in den USA den Sozialismus einführen, und kämpft unter anderem erbittert gegen die Anfang des Jahres in Kraft getretene Gesundheitsreform.

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"Amerika wendet sich Gott zu"

Zwar war die Veranstaltung nicht ausdrücklich gegen US-Präsident Barack Obama gerichtet - doch die ultra-konservative Stoßrichtung gegen die Regierung war unverkennbar. "Amerika beginnt heute, sich wieder zu Gott zu wenden", rief der Organisator, Moderator des TV-Senders Fox News und selbst ernannter Retter der USA, Glenn Beck (siehe Bild oben). Er sprach von mehreren hunderttausend Teilnehmern.

Der ehemalige Strahlemann Barack Obama steckt in einer tiefen Vertrauenskrise. Eine kürzlich veröffentlichte Wählerbefragung beschied dem amtierenden US-Präsidenten kein gutes Zeugnis. Die Krisen der letzten Monate haben Obama schwer zugesetzt. von Katharina Blaschke (DiePresse.com) (c) EPA (Ron Sachs)

"Nobel-Urlaub", Moschee-Streit, Ölpest, Afghanistan-Krieg: Wenige Monate vor den wichtigen Zwischenwahlen für den US-Kongress ist Barack Obamas Image stark angegriffen. Eine kürzlich veröffentlichte US-Umfrage ergab, dass die Mehrheit der Amerikaner erstmals seit Beginn seiner Präsidentschaft Obamas Politik ablehnt. (c) EPA (Michael Reynolds)

Nur noch 45 Prozent stehen laut der Ipsos-Umfrage hinter dem US-Präsidenten, 52 Prozent äußerten sich negativ über seine politischen Entscheidungen. 62 Prozent der Befragten gaben an, das Land befinde sich auf einem falschen Weg. Die USA steht angesichts der anhaltend düsteren Lage am Arbeitsmarkt vor einem schwierigen Sparkurs, der für Obama weitere Wählereinbußen bedeuten könnte. (c) AP (Charles Dharapak)

Auch der Krieg der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan ist bei der amerikanischen Bevölkerung weiterhin sehr unpopulär. 58 Prozent lehnten in einer kürzlich veröffentlichten Umfrage von Associated Press und GfK den Einsatz von US-Soldaten am Hindukusch ab. (c) AP (Musadeq Sadeq)

Die vielen toten Soldaten sorgen zusätzlich zur angespannten wirtschaftlichen Lage und der hohen Arbeitslosigkeit für schlechte Stimmung in den USA. Nach wie vor ist kein Ende des Konflikts in Afghanistan in Sicht. Allein im Juli starben 63 US-Soldaten, es war damit der verlustreichste Monat seit Beginn des Einsatzes vor neun Jahren. (c) AP (Steve Ruark)

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko war nicht nur für den Ölkonzern BP ein Imagedesaster. Auch Obamas Krisenmanagement wurde bemängelt. Selbst aus dem eigenen Lager hagelte es Kritik an seiner Strategie im Kampf gegen die Katastrophe. Die liberale "New York Times", der Regierung sonst eher zugetan, schrieb: "Die Bundesregierung hatte Gelegenheit, schneller zu handeln, hat das aber nicht getan, weil sie auf eine Lösung seitens BP gewartet hat". (c) EPA (Ann Heisenfelt)

Demonstrativ ging der US-Präsident mit seiner neunjährigen Tochter Sasha vor der Küste Floridas im Golf von Mexiko baden, um der durch die Ölpest gebeutelten Tourismusindustrie unter die Arme zu greifen. Er wollte damit zeigen, dass die Strände dank der Aufräumarbeiten sauber und sicher für Besucher seien. (c) EPA (Pete Souza)

In New York protestieren viele Bürger gegen den geplanten Bau eines islamischen Zentrums samt Moschee nahe Ground Zero. Obama ist auch bei diesem brisanten Thema zwischen alle Fronten geraten. Lange schwieg Obama zu dem umstrittenen Bauprojekt. Bei einer Zeremonie anlässlich des islamischen Ramadan wagte er sich schließlich vor und verteidigte das Projekt mit einem flammenden Plädoyer für die Religionsfreiheit. (c) AP (Swoan Parker)

Nur um kurze Zeit später nach heftiger Kritik von Hinterbliebenen der Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 wieder zurückzurudern. Er habe sich grundsätzlich zu den Freiheitsrechten geäußert, die bis zur Gründung der Vereinigten Staaten zurückreichen, sagte Obama. "Ich habe nicht kommentiert, ob es eine weise Entscheidung ist, an diesem Ort eine Moschee zu errichten." (c) EPA (Joe Woolhead)

Immer mehr Amerikaner glauben zudem fälschlicherweise, ihr Präsident sei ein Muslim. In einer im August veröffentlichten Umfrage erklärten 18 Prozent, Obama gehöre dem Islam an. Dagegen ist die Zahl der US-Bürger, die korrekt wissen, dass Obama Christ ist, auf 34 Prozent gesunken. Barack Obama ist der als Christ getaufte Sohn einer Amerikanerin und eines muslimischen Kenianers. (c) AP (Carolyn Kaster)

Selbst bei der Feriengestaltung muss der US-Präsident immer auf sein Image achten. Heuer hat sich Obama für einen kurzen Familienurlaub auf der Promi-Insel Martha's Vineyard entschieden. Gemeinsam mit Ehefrau Michelle, den beiden Töchtern Sasha und Malia sowie Hund Bo verbringt der 49-Jährige zehn Tage auf der Insel. (c) AP (Carolyn Kaster)

Sein Urlaub an einem Tummelplatz der Reichen und Prominenten an der Ostküste sei ein falsches Signal in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, monieren Kritiker. Andere nehmen Anstoß daran, dass die First Family nicht ihren ganzen Sommerurlaub an der Golfküste verbringt, die wegen der Ölpest unter Besucherschwund leidet. Vor wenigen Wochen erst wurde First Lady Michelle Obama dafür kritisiert, dass sie im spanischen Badeort Marbella Urlaub machte und in einem Fünf-Sterne-Hotel übernachtete. (c) AP (Manuel Balce Ceneta)

Auch dass der Präsident seine Freizeit gerne auf dem Golfplatz verbringt, oft bis zu fünf Stunden am Tag, sorgte schon des öfteren für bissige Kommentare. Darin unterscheidet sich Obama von seinem Vorgänger George Bush, der das elitäre Golfspiel während des Irak-Kriegs aus Imagegründen aufgegeben hatte. (c) AP (Steve Senne)

Obamas Umfeld ist deshalb bemüht, den Präsidenten keineswegs als Ferienfaulenzer erscheinen zu lassen. "Der Präsident wird sich ein wenig Zeit nehmen, seine Batterien wieder aufzuladen", warb Obamas Sprecher Bill Burton um Verständnis. Außerdem ginge ja die Arbeit des Präsidenten auch im Urlaub weiter. Mit Obama sei eine ganze Entourage aus Beratern nach Martha's Vineyard gereist, betonte Burton. (c) Reuters (Larry Downing)

Wie Obama selbst auf den rauen Wind reagiert, der ihm neuerdings entgegen weht, ist weitgehend unbekannt. Die Erwartungen, die in den US-Präsidenten zu seinem Amtsantritt gesetzt wurden, waren unerfüllbar. Es wird sich zeigen, ob der Präsident die Gunst der Wähler rechtzeitig wieder zurück gewinnen kann. (c) Reuters (Mike Theiler)

Sarah Palin als Galions-Figur

Die Veranstaltung galt nach Ansicht von Kommentatoren auch als Gradmesser für die Stärke der rechten "Tea-Party-Bewegung", die seit über einem Jahr gegen die Regierung zu Felde zieht: Als Galions-Figur der Bewegung gilt Sarah Palin (siehe Bild unten). Zahlreiche Mitglieder der Bewegung bemühen sich derzeit um eine Kandidatur bei den Kongresswahlen am 2. November, bei der die parlamentarische Mehrheit Obamas auf dem Spiel stehen könnte.

Sarah Palin EPA

Provokation und moralische Armut

Zugleich brach eine erbitterte Kontroverse über den Ort der Veranstaltung am Samstag aus. Die Rechten versammelten sich an der Gedenkstätte für Abraham Lincoln, den 16. Präsidenten der USA - und damit ausgerechnet an dem Ort, wo vor genau 47 Jahren der später ermordete schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King seine berühmte "I have a dream"-Rede über eine Gesellschaft ohne Rassenschranken hielt.

Bürgerrechtler monierten die Wahl des symbolträchtigen Ortes im Herzen Washingtons, teilweise war von einer Provokation die Rede. Allerdings sprach auch Alveda King, eine Nichte des Bürgerrechtlers, vor dem Denkmal Lincolns. Sie meinte, die derzeit schlechte Wirtschaftslage "reflektiert die moralische Armut Amerikas."

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Beck selbst meinte, es handle sich in Wahrheit gar nicht um eine politische Veranstaltung. Das Motto der Demo heiße "Restoring Honor" (Die Ehre wiederherstellen) und es gehe darum, die US-Truppen zu unterstützen sowie die traditionellen "amerikanischen Werte" und Gottesglaube wieder zur Geltung zu bringen.

Sammelbecken wütender Konservativer

In den Augen von Kritikern kommt die Versammlung am Lincoln Memorial, das so große Bedeutung für die Bürgerrechtsbewegung hat, einer Entweihung gleich. Kritiker unterstellen der "Tea Party", die sich als Sammelbecken wütender konservativer Regierungskritiker versteht, rassistische Untertöne. Deren Vertreter streiten dies ab.

Info

Die "Tea Party" ist keine Partei im klassischen Sinne, sondern eine lose Basisbewegung, die sich in Reaktion auf Obamas Wahl gebildet hat. Sie fordert eine Rücknahme der Gesundheitsreform, Steuererleichterungen, einen Abbau der Sozialleistungen, einen isolationistischen Kurs in der Außenpolitik und eine strenge Haushaltssanierung.

(Ag.)