Nastassja Kinski und Klaus Schwarzkopf in Wolfgang Petersens legendärer Folge „Reifezeugnis"
Fernsehen

50 Jahre „Tatort“: 13 Folgen, die in Erinnerung blieben

Vom legendären „Reifezeugnis“ bis zum „letzten Schrey“. Und der blutige Murot-Fall „Im Schmerz geboren“ ist auch dabei.

Am 29. November feiert der "Tatort" sein 50-jähriges Bestehen. Die Sendung zählt damit zu den langlebigsten und beliebtesten Fernsehreihen im deutschsprachigen Raum. Die erste Folge "Taxi nach Leipzig" wurde am 29. November 1970 gesendet. Mehr als 1100 Fälle wurden seither gezeigt. Aber welche „Tatort“-Fälle blieben in Erinnerung? Die „Presse“ hat in ihrem Gedächtnis geforscht und 13 starke Folgen zusammengetragen. Gereiht nach Erscheinungsjahr.

„Reifezeugnis“

Fall von Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf), 1977

„Reifezeugnis“ zählt zu den legendärsten und meistwiederholten Folgen der Krimireihe und machte Nastassja Kinski, die bei den Dreharbeiten erst 15 Jahre alt war, einem breiten Publikum bekannt. Regie führte Wolfgang Petersen. Die Folge handelt von einer 16-jährigen Schülerin, die ein Verhältnis mit ihrem Lehrer (Christian Quadflieg) hat und im Affekt einen Mitschüler tötet. Für den Regisseur war der erfolgreiche Krimi ein weiterer Schritt in Richtung Hollywood.

„Peggy hat Angst“

Fall von Hanne Wiegand (Karin Anselm), 1983

Berühmt ist auch die Folge „Peggy hat Angst“. Sie handelt von zwei jungen Frauen und einem Stalker, der eine von ihnen umbringt. Hannelore Elsner spielte die Titelfigur. Nicht nur die Handlung, auch die Musik hat einem die Gänsehaut aufgezogen, etwa „Why Can the Bodies Fly“ von der überaus unheimlichen Elektro-Band „Warning“. Karin Anselm war übrigens nicht die erste Kommissarin: Nicole Heesters verkörperte ab 1978 drei Folgen lang Kommissarin Marianne Buchmüller.

Zahn um Zahn Deutschland 1985 Regie Hajo Gies Darsteller G�tz George Copyright IFTN UnitedArch
Zahn um Zahn Deutschland 1985 Regie Hajo Gies Darsteller G�tz George Copyright IFTN UnitedArch(c) imago/United Archives (IFTN)

„Zahn um Zahn“

Fall von Horst Schimanski (Götz George), 1985

Heute zählt Horst Schimanski zu den beliebtesten Kommissaren der Reihe, doch in den 1980ern polarisierte die Figur - mitunter wegen seines proletarischen Gehabes, das mit der Rolle eines Polizeibeamten unvereinbar schien. Vor allem der flächendeckende Gebrauch des Wortes „Scheiße" wurde anfangs thematisiert. „Zahn um Zahn“ führte Schimanski nach Frankreich – es war der erste Krimi der Reihe, der speziell fürs Kino hergestellt wurde.

„Moltke“

Fall von Horst Schimanski (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik), 1988

„Moltke“ ist die erste Tatort-Folge, die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Darin geht es um einen entlassenen Räuber, der sich an den damaligen Mittätern rächen und Selbstjustiz verüben will. Ein gewisser Dieter Bohlen war nicht nur für die Musik verantwortlich, sondern spielte auch den eifersüchtigen Freund einer Zeugin – und er musste nachträglich synchronisiert werden.

Episode Frau Bu lacht aus der Krimiserie Tatort Regie Dominik Graf Deutschland 1995 Darsteller
Episode Frau Bu lacht aus der Krimiserie Tatort Regie Dominik Graf Deutschland 1995 Darsteller(c) imago/United Archives (United Archives/Impress)

„Frau Bu lacht“

Fall von Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), 1995

Fünf „Tatort“-Folgen hat Regisseur Dominik Graf inszeniert, „Frau Bu lacht“ war seine zweite. Sie handelt von Frauen aus Südostasien, die Deutsche heiraten – und in Deutschland ihren Männern schutzlos ausgeliefert sind, ebenso wie ihre Kinder. Deprimierend und intensiv.

„Und Tschüss“

Fall von Jan Casstorff (Robert Atzorn), 2008

Die Folge gehört vielleicht nicht zu den am besten gemachten der Reihe, steht aber für das feine Gespür der Drehbuchschreiber für gesellschaftlich und politisch relevante Themen. Regisseur und Drehbuchautor war Thomas Bohn, der regelmäßig fürs Fernsehen arbeitet und ganze 19 „Tatort“-Folgen inszeniert hat. In „Und Tschüss“ geht es um den illegalen Export von Elektro(nik)schrott nach Afrika. Für Ermittler Casstorff war es der fünfzehnte und gleichzeitig letzte Fall.

„Weil sie böse sind“

Fall von Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf) und Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki), 2010

Auch bekannt als „der Tatort mit Matthias Schweighöfer“. Der deutsche Star spielt darin einen Millionärssohn, der seine Familie verachtet. Der Täter ist aber ein anderer, ein alleinerziehender Vater eines autistischen Sohnes, dem man nicht wünscht, dass er erwischt wird. Regisseur und Drehbuchautor Florian Schwarz drehte auch den legendären Murot-Tatort „Im Schmerz geboren" (siehe unten). Der Titel dieser Folge ist ein Zitat Rousseaus: „Wir hassen die Bösen nicht nur, weil sie uns schaden, sondern weil sie böse sind.“

„Kopfgeld“

Fall von Nick Tschiller (Til Schweiger) und Yalcin Gümer (Fahri Yardım), 2014

„Kopfgeld“ war der zweite Fall des Ermittlerduos, das mit Spannung erwartet wurde und blieb vor allem wegen der Action und der Brutalität in Erinnerung. So hatte man den „Tatort“ bis dahin nicht gesehen. „Kopfgeld“ hatte gute Quoten und stellte auch einen Leichenrekord auf, der inzwischen aber wieder gebrochen wurde. Schweigers nächste beiden Folgen „Der große Schmerz“ und „Fegefeuer" kamen als Film in die Kinos.

„Im Schmerz geboren“

Fall von Felix Murot (Ulrich Tukur), 2014

Ungeachtet der schauspielerischen Leistung von Ulrich Tukur, ragen auch seine Tatort-Einsätze oft über das Übliche hinaus. Geradezu einen Bruch mit der klassischen Lesart deutscher Serienkrimis stellt „Im Schmerz geboren“ dar. Hier steht Tukur im Fadenkreuz in wie eingefrorenen Bildern. Doch noch mehr stehen Plot wie Inszenierung in einem dichten Netz aus literarischen und cineastischen Verweisen (Sergio Leonsche Bahnhofsszene, Truffautsche Dreieckbeziehung, Dürrenmattsche Rachefantasien, Shakespearsche Dramatik). Weil das Ganze so gut geschrieben (Michael Proehl), inszeniert (Florian Schwarz) und gespielt ist, erfährt man diesen mehrfach ausgezeichneten „Tatort“ nicht als bedeutungshuberische intercineastische Bastelei sondern als großen, ganz eigenständigen Wurf. Wenngleich einen der blutigsten in der Tatort-Geschichte. Dafür mit Bach, Beethoven, Sibelius als Kontrastmittel. (mad)

„Die Musik stirbt zuletzt“

Fall von den Luzernern Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer), 2018

Ein ungewöhnlicher „Tatort“, unter der Regie von Dani Levy: Es gibt einen Erzähler, man muss fast eine Stunde auf eine Leiche warten, fast die ganze Folge spielt in einem einzigen Gebäude - und die Handlung ist mit einer einzigen Kamera ohne Unterbrechung durchgefilmt. Mitreißend.

„Her mit der Marie“

Fall von Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser), 2018

Regisseurin Barbara Eder setzte ihren bislang zweiten „Tatort" mit einer leichten Retro-Patina in Szene, ermittelt wurde im Rotlichtmilieu. „Her mit der Marie“ zeigte ein wahres Aufgebot österreichischer Stars: Erwin Steinhauer und Maria Hofstätter, Christopher Schärf, Johannes und Simon Schwarz, der zu Tränen rührte.

(c) BR

„Schlangengrube“

Fall von Frank Thiel (Axel Prahl) und Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers), 2018

Thiel und Boerne sind wohl die derzeit beliebtesten Ermittler, das liegt vor allem an ihrem Humor. In „Schlangengrube“ laufen die beiden zur Höchstform auf. Denn der bornierte Gerichtsmediziner arbeitet an einem Karrieresprung: Er will mit einer Mischung aus Pathologie- und Kochshow ins Fernsehen. Dazu muss er aber erst den reichen Medientycoon überzeugen, dem der TV-Sender gehört - und der lässt sich vom Professor im wahrsten Sinne des Wortes einkochen. Kollege Thiel, der als Vorkoster engagiert wird, kommentiert den Zinnober trocken: "Lecker: Frisch sezierte Alkoholikerleber à la Verkehrsunfall mit Apfel, Zwiebel und platt gefahrenem Rotkohl.“ Die zwei sind schlagfertig, amüsant und dank ihrer menschlichen Schwächen sympathisch. (i.w.)

„Der letzte Schrey“

Fall von Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner), 2020

Als Markenzeichen wirkt die „Tatort“-Signation mit den suggestiven Augen und dem rennenden Schatten inzwischen wie ein Klassiker aus historischen Krimi-Zeiten. Ein besonders markantes „Tatort“-Team sind Christian Ulmen und Nora Tschirner: Kommissar Lessing und Kira Dorn, der scharfsinnige Softie und die schlagfertige Powerfrau, erscheinen wie Ermittler aus der heutigen Zeit, sie stammen nicht aus dem Museum der Geschlechter-Beziehungen. In „Der letzte Schrey“ jagen die beiden Ermittler, die auch im Leben ein Paar sind, die Entführer einer Strickwaren-Herstellerin: Nina Petri beeindruckt als wehrhaftes Opfer eines Überfalls. Burgschauspielerin Sarah Viktoria Frick spielt die skrupellose Drahtzieherin des Verbrechens. Auch im übrigen Ensemble dieser „Tatort“-Folge haben die Frauen die sprichwörtlichen Hosen an. Gut so. (bp)

Jubiläums-Krimi

Der 50. Geburtstag der Fernsehreihe wird mit einem Doppelkrimi begangen, in dem die Teams aus München und Dortmund gemeinsam ermitteln. Der Zweiteiler wird am 29. November und am 6. Dezember jeweils um 20.15 Uhr in ORF 2 gezeigt.

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