Belüftung

Corona und die Hygiene im Reisebus

Ein neu entwickelter Filter als Hoffnung für die Reisebranche. Er soll auf Busreisen vor Viren schützen.
Ein neu entwickelter Filter als Hoffnung für die Reisebranche. Er soll auf Busreisen vor Viren schützen.(c) ACR/Alice Schnür-Wala
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In einem beengten Raum wie einem Autobus sind die Fahrgäste in Zeiten der Corona-Epidemie besonders gefährdet. Eine zu Wochenbeginn ausgezeichnete Filteranlage bietet Abhilfe.

Wenn der Covid-19-Stillstand beendet ist, wenn Reisegruppen wieder neue Ziele ansteuern können – ja, dann können sie in adaptierten und mit neuen Luftfilteranlagen ausgestatteten Reisebussen unterwegs sein. Das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) hat die Innenbelüftung von Bussen so weiterentwickelt, dass nicht nur Allergene, Keime und Sporen aus der Raumluft zurückgehalten, sondern auch Viren und Bakterien im Filter bereinigt werden. Für diese Entwicklung wurde das OFI in dieser Woche mit dem Innovationspreis der Austrian Cooperative Research (ACR) ausgezeichnet.

Luftzufuhr sichern

Der Anstoß kam von Elke Bereuter-Hehle, der Geschäftsführerin von Hehle-Reisen in Lochau (Vbg.) und Obfrau der Fachgruppe Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtunternehmungen in der Vorarlberger Wirtschaftskammer. In einem ihrer Busse befinden sich auf begrenztem Raum etwa 50 Personen, die gerade unter den gegenwärtigen Covid-Bedingungen mit einer bestmöglichen Luftzufuhr versorgt werden müssen. Die Unternehmerin wandte sich im Frühjahr 2020 an das OFI in Wien, wo die Arbeitsgruppe um die Biotechnologin Gabriele Ettenberger das Projekt „Aeropore – Lufthygiene in Reisebussen“ initiierte und Forschungskooperationen, unter anderem mit dem Filterspezialisten Freudenberg Filtration Technologies mit Sitz in Weinheim/Baden-Württemberg, aufbaute.

Das Wiener Forschungsinstitut hat sich schon bisher mit dem Problem, wie man durch den optimierten Einsatz von Filtern (besonders) für Allergiker ein angenehmes Raumklima schaffen kann, befasst. Nun stellte sich die Fragestellung, welchen Beitrag Lufthygiene leisten kann, um die Ausbreitung von Viren und Bakterien zu verhindern. Im Zuge von „Aeropore“ beschäftigt sich das OFI in Kooperation mit dem ZFE (Zentrum für Elektronenmikroskopie, Graz) und dem österreichischen Pollenwarndienst mit der Beurteilung von Filtern anhand des Abscheidevermögens von luftgetragenen biologischen Partikeln.

»„Unsere eigens konzipierte Simulationsanlage ist weltweit die einzige ihrer Art.“
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Gabriele Ettenberger, Biotechnologin, OFI
Gabriele Ettenberger.
Gabriele Ettenberger.(c) OFI/Michael Pyerin

Ein moderner Reisebus ist mit drei Filteranlagen ausgestattet: Über den Frischluftfilter strömt Außenluft in den Innenraum, der beim Fahrer befindliche Frontfilter stellt hauptsächlich auf Umluft um (z. B. bei der Fahrt durch einen Tunnel), der Innenraumfilter führt sowohl Frisch- als auch Umluft zu. Die in der Filterbox eingebauten Filter werden in einer eigens konzipierten Simulationsanlage (Ettenberger: „Weltweit die einzige ihrer Art“) auf ihre Flexibilität und Eignung geprüft.

Fruchtsäure zerstört Virushülle

Die Simulationsanlage ermöglicht eine Filteranalyse und Bestimmung der Abscheideleistung von biologischen Substanzen, also realen Teststäuben wie Pollen, Pollenfragmenten, Pilzsporen, Bakterien und Viren. Mit der eigens entwickelten Anlage können auch biologische, physikalische und chemische Parameter – wie verschiedene Zustände der biologischen Partikel durch Anpassung von Temperatur und Luftfeuchte – erfasst werden. Virustragende Aerosole werden aus der Umluft gefiltert und durch eine antivirale Filtermedienschicht inaktiviert. Durch den mehrstufigen Aufbau der Filter wird die bestmögliche Ausscheidung von Partikeln, Gasen, Bakterien und Viren erreicht. Im Fall des Coronavirus liege der Fokus, so Ettenberger, auf der Umhüllung des Virus. „Ohne seine Hülle kann das Virus nicht überleben.“ Eine auf Fruchtsäureextrakten basierende Filterschicht zerstört die Virushülle.

Ein neuer Filter kann etwa ein Jahr lang seine Funktion ausüben. Das OFI-Verfahren ist bereits marktreif, seit Juni setzt Hehle-Reisen die neue Filtertechnologie ein. In einem zweiten Schritt – das Land Vorarlberg hat die Entwicklung auch finanziell unterstützt – erfolgte der Filtereinbau in den weiteren Reisebusunternehmen des westlichsten Bundeslandes.

Gemeinsam mit der OFI-Forschung „Aeropore – Lufthygiene in Reisebussen“ wurden von der ACR die Projekte „Der Fake-Shop-Detektor – Mit KI sicher vor Betrug“ vom Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und „Holz und Beton im tragenden Verbund – Ökologische Alternative zum Stahlbeton“ von der Holzforschung Austria (HFA) mit dem Innovationspreis 2020 ausgezeichnet. Den Forschern von ÖIAT ist es gelungen, Fake Shops im Internet mittels künstlicher Intelligenz (KI) zu erkennen. Das Gewinnerprojekt der HFA befasst sich mit Deckenkonstruktionen, die Holz und Beton auf ökologische Weise miteinander verbinden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2020)

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