Didaktik

Digitales Lernen senkt die Angst vor Fremdsprachen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Zukunft des Englischunterrichts wird an der FH Burgenland in internationaler Kooperation erforscht. Erste Ergebnisse zeigen, dass an Österreichs Schulen Defizite bestehen. Die Qualität des digitalen Unterrichts ist von der Lehrkraft abhängig, wobei es Geschlechterunterschiede gibt.

Am Computer Englisch zu lernen ist im Lockdown für viele ältere Schüler eine Selbstverständlichkeit. Für einige ist der digitale Sprachunterricht sogar ein großer Vorteil. Besonders diejenigen profitieren jetzt, die sich scheuen, im mündlichen Präsenzunterricht aktiv mitzumachen, weil sie sich nicht blamieren wollen.

„Denn Schüler, die beim Einsatz der Fremdsprache ängstlicher sind und sich den Aktivitäten im Klassenraum nicht aussetzen wollen, machen die Online-Übungen in einem geschützten Rahmen und können sich verbessern“, erklärt Eva Gröstenberger, Institutsleiterin für Ausbildung und Praktische Studien an der Pädagogischen Hochschule Burgenland und somit für die Ausbildung von rund 700 künftigen Lehrern zuständig.

Sie betont, dass der digitale Unterricht nur so gut ist wie die Lehrkraft, die ihn hält. „Wenn nur Aufgaben verschickt und korrigiert werden, anstatt auch online synchron zu unterrichten, ist der Lernerfolg der Schüler stark gefährdet“, sagt sie. „Mehr als die Hälfte der Schüler übt nur, wenn Lehrer es einfordern und online präsent sind, um Fragen zu beantworten oder auch zu ermutigen. Dazu müsste es unbedingt Vorgaben durch die Schulleitungen geben.“ Gröstenberger hat in ihrer Dissertation untersucht, wie sich das Geschlecht der Schüler und ihre Ängste vor der Fremdsprache auf das Übungsverhalten auswirken. Dazu hat sie 379 Maturanten an zehn burgenländischen Handelsakademien und Höheren Lehranstalten für Wirtschaftliche Berufe befragt.

Mädchen haben bessere Noten

Sie kam zu dem Ergebnis, dass besonders Mädchen unter Angst vor Fremdsprachen leiden, obwohl sie bessere Noten haben als Jungen. Offenbar beurteilten Mädchen ihre eigene Sprachkompetenz und Fähigkeiten signifikant schlechter als ihre männlichen Klassenkollegen, erklärt Gröstenberger.

Hier müssten Lehrer aktiv werden und nachfragen. Doch diese seien sich der Ängste ihrer Schülerinnen oft nicht bewusst. Die Studie ergab auch, dass Jungen sich sehr viel stärker als Mädchen in einem virtuellen englischsprachigen Umfeld bewegen und entsprechend geringe Hemmungen haben, auch in der Schule Englisch zu sprechen.

Lehrerinnen wollen mehr üben

Beim Lehrpersonal ergab die Untersuchung ebenfalls geschlechtsspezifische Unterschiede. Lehrerinnen bestehen demnach stärker als ihre männlichen Kollegen darauf, dass Schüler üben – und kontrollieren dies auch entsprechend. Die Folge: „Schüler, die von Frauen unterrichtet werden, üben mehr“, sagt Gröstenberger. Dies könne auch die Angst reduzieren. Es sei ein „Armutszeugnis unseres Schulsystems, dass viele 18-Jährige erst beginnen, für die Matura zu lernen, wenn sie Angst davor haben“, so Gröstenberger.

Sie schrieb ihre Dissertation an der FH Burgenland im Rahmen einer internationalen Kooperation mit der International Burch University in Sarajewo. Gemeinsam mit der Niederösterreicherin Edda Polz absolvierte sie als Erste den 2017 gestarteten PhD-Lehrgang im Studiengang Educational and Communication Sciences berufsbegleitend.

Betreut wurden beide Arbeiten von Didaktikern in Bosnien. Die Juristin und Grundschulpädagogin Polz lehrt an der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich Schulrecht und Englisch. Im Rahmen ihrer Mixed-Method-Studie, an der insgesamt 614 Schüler sowie 25 Pädagogen teilnahmen, wies sie nach, dass bereits beim Englischunterricht in der Volksschule Lesen und Schreiben gelehrt werden müsste, um den Kindern einen problemlosen Einstieg in die Sekundarstufe zu ermöglichen. „Doch leider muss der Englischunterricht heute hinter den Deutschförderklassen zurückstehen“, sagt sie bedauernd.

Lexikon

Foreign language anxiety (FLA) wurde 1986 von Horwitz, Horwitz und Cope als beim Fremdsprachenlernen im Klassenzimmer auftretende Angst definiert. Sie wird durch besonders belastende Umstände, z. B. eine Testsituation, hervorgerufen. FLA ist nicht als Persönlichkeitsmerkmal zu verstehen und steht in keinem Zusammenhang mit anderen Arten von Angst, sondern bezieht sich konkret auf die Verwendung einer Fremdsprache mit einem starken Fokus auf Sprechen und Hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2020)

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