Wort der Woche

Klimaschutz ist eine komplexe Angelegenheit

So haben laut einer aktuellen Studie die Klimagase, die von Flugzeugen emittiert werden, ganz unterschiedliche Auswirkungen.

Beim Klimaschutz gibt es keine simplen Lösungen. Ein Grund dafür ist, dass alle Maßnahmen unzählige Wechsel- und Nebenwirkungen haben. Ein anderer Grund liegt im Klimasystem selbst: Jedes Element hängt mit allen anderen zusammen, es gibt keine einfachen Ursache-Wirkung-Beziehungen.

Diese Komplexität wird nun einmal mehr bei einer aktuellen Untersuchung von EU-Experten zum Flugverkehr deutlich. Dieser Bereich ist besonders schwierig, weil die Emissionen in verschiedenen Luftschichten anfallen. Das macht nur beim bekanntesten Treibhausgas keinen Unterschied: CO2 führt zu einer Erwärmung, egal ob es bei Start und Landung oder in Reiseflughöhe freigesetzt wird. Bei allen anderen Emissionen spielt die Höhe aber eine Rolle. Etwa bei Wasserdampf: Nahe dem Boden hat er nur minimale Auswirkungen auf die Erwärmung, in hohen Schichten hingegen ist er hauptverantwortlich für die Bildung von Kondensstreifen. Diese verstärken den Treibhauseffekt, weil sie verhindern, dass Wärme von der Erde ins Weltall abgestrahlt wird. Mitverantwortlich dafür sind auch unverbrannte Reste des Kerosins (sprich: Ruß), die v. a. von aromatischen Kohlenwasserstoffen stammen: Je mehr Kondensationskeime sich in hohen Atmosphärenschichten befinden, umso mehr Eiskristalle bilden sich – und umso länger bleiben die Kondensstreifen erhalten.

Besonders janusköpfig sind Stickoxide. Sie sind selbst Treibhausgase, und sie interagieren mit anderen Treibhausgasen: In der Höhe führen sie kurzfristig zur Bildung von Ozon, das eine wärmende Wirkung hat. Sie tragen aber auch zum Abbau des langlebigen Treibhausgases Methan bei. Ob der Netto-Effekt positiv oder negativ ist, hängt davon ab, wo die Stickoxide emittiert werden und wie viele andere Luftschadstoffe sich dort befinden. Unter bestimmten Voraussetzungen scheint es möglich, dass Stickoxide aus dem Flugverkehr eine kühlende Wirkung haben könnten, so die EU-Experten.

Könnten. Denn genau weiß man es nicht. So wie auch bei anderen Klimafaktoren noch vieles im Dunkeln liegt. Unbekannt ist etwa, ob Schwefelpartikel aus Abgasen unterm Strich erwärmend (bei hoch liegenden Wolken) oder kühlend (bei bodennahen Wolken) wirken. Solche Unwägbarkeiten machen es doppelt schwierig, die richtigen Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele zu finden.

Sicher ist freilich: Je weniger geflogen wird, umso weniger CO2 wird ausgestoßen. Und das ist aus Klimaschutzsicht sicher nicht falsch. ⫻

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2020)

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