Am Herd

Katzenliebe

Meine Jüngere und die Katze, das war einmal eine große Liebe.
Meine Jüngere und die Katze, das war einmal eine große Liebe. Die Presse / Clemens Fabry
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Meine Jüngere und die Katze, das war einmal eine große Liebe. Schnurr folgte Marlene auf Schritt und Tritt – und wenn sie badete, balancierte sie am Wannenrand.

Als die Katze klein war, wollte ich sie beschützen. Dieses kleine, niedliche, tapsige Ding vor der kleinen, niedlichen, rabiaten Marlene. Die sie am Schwanz zog. Sie packte, wenn sie friedlich vor der Heizung döste. Durch die Wohnung jagte. Und in den Puppenwagen steckte. Genau. Marlene steckte Schnurr in den Puppenwagen, deckte sie zu und fuhr mit ihr im Kreis. Und ich lief hinterher und rief: „Marlene, lass die Katze in Ruhe!“

Wer Katzen kennt, wer sie wirklich, wirklich kennt, wird an dieser Stelle stutzig werden. Ich gebe zu, ich habe ein bisschen länger gebraucht, konkret bis zu dem Tag, als ich Schnurr zum Tierarzt bringen wollte, patschert genug war, sie noch in der Wohnung aus dem Transportkorb entkommen zu lassen und dann eine halbe Stunde und all meine strategischen Fähigkeiten brauchte, um sie wieder einzufangen.

Nein, niemand steckt eine Katze in den Puppenwagen, wenn die das nicht will.

In der Folge wurden die beiden unzertrennlich. Wo Marlene war, war Schnurr nicht weit. Sie folgte ihr von Zimmer zu Zimmer, balancierte auf dem Wannenrand, wenn sie badete, später hüpfte sie auf den Schreibtisch, wenn Marlene lernte, und legte sich breit und fordernd auf ihre Bücher. Die Katze liebte Marlene. Und Marlene liebte die Katze.


Lockdown. Aber Marlene wurde älter. Sie war immer seltener zu Hause, und wenn sie zu Hause war, war sie beschäftigt oder abgelenkt, ein Teenager mit Teenagersorgen und Teenagerfreuden. Die Liebe erlosch, das kommt auch bei großen Lieben vor, dafür bekamen mein Mann und ich unsere Chance: Wenn wir die Katze jetzt streichelten, schnurrte sie nicht mehr gnädig, sondern zunehmend wohlwollend, abends kam sie kuscheln, und immer wieder thronte sie auf meinem Hintern, wenn ich schlief. Nur hochnehmen ließ sie sich immer noch nicht. Wenn ich sie hochnahm, sah sie mich an, als kenne sie mich kaum.

Dann kam der Lockdown. Und alles war wie früher. Also nicht alles. Marlene steckt die Katze nicht mehr in den Puppenwagen, und ums Bad macht Schnurr, seit sie hineingefallen ist, einen misstrauischen Bogen. Aber wie früher darf Marlene alles und wir dürfen nichts, Marlene darf die Katze während einer Zoom-Konferenz auf den Schoß ziehen und mit ihren Pfoten winken, darf sie am Bauch streicheln, die Augen zuhalten, und wenn Marlene sie herumträgt, wirkt die Katze wie ein Baby nach dem Bäuerchen. Mein Mann und ich schauen zu, einerseits ein bisschen neidig, andererseits gerührt: So glücklich war Schnurr schon lang nicht mehr.

Corona hatte also wenigstens für die Katze etwas Gutes. ⫻

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2020)

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