Wiener Philharmoniker: Pflegen der Tradition auch im Lockdown

Christian Thielemann (Archivbild).
Christian Thielemann (Archivbild).(c) APA/HANS PUNZ
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Unter Thielemann ging der Bruckner-Zyklus ohne Publikum weiter.

Wer hätte das gedacht, dass es einmal eine philharmonische Matinee geben würde, bei der kein Publikum im großen Musikvereinssaal anwesend sein würde. So geschehen am Sonntag Vormittag, als Christian Thielemann Bruckners Dritte Symphonie dirigierte. Es war die Fortsetzung des Bruckner-Zyklus, der bis zum Gedenkjahr 2024 abgeschlossen sein muss. Die Philharmoniker haben ja noch nie mit einem einzelnen Dirigenten alle Bruckner-Symphonien eingespielt.

Daran, dass Thielemann die richtige Wahl für dieses Unterfangen darstellt, herrscht in der Musikwelt kein Zweifel. Er hat mit dem Wiener Orchester zu einer Symbiose gefunden, die gerade für dieses Repertoire konkurrenzlose interpretatorische Aussagen ermöglicht.

Und er wählte für die Dritte jene (zweite) Fassung, mit der Bruckner im Musikverein mit den Philharmonikern einst kläglich scheiterte – obwohl er sie um die missliebigen Wagner-Zitate bereinigt hatte. Thielemann ist zwar – wie einst Bruckner – unbeirrbarer Wagner-Apostel, verfällt aber nicht in die naheliegende Beschwörung einer quasi Bayreuth-tauglichen Klanginszenierung.

Er weiß, dass Bruckners Steigerungen zwar sehr wohl im tiefsten Sinne „dramatische“ Effekte bedingen, aber Effekte, die ihre Energien aus ganz anderen, aus musik-, nicht textimmanenten Quellen beziehen. Mit den Philharmonikern lässt er die Musik wachsen und werden, und im entscheidenden Moment auch explodieren. Das sorgt für spürbare Hochspannung, auch in einem leeren Saal; und auch bei einem Hörer, der diese Aufführung via Ö1 miterlebt. Beste Voraussetzungen für eine CD-Edition. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2020)

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