Der sündteure „Förderalismus“

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suendteure bdquoFoerderalismusldquo(c) AP (Bela Szandelszky)
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Fast ein Drittel der Steuereinnahmen fließt unkoordiniert in Förderungen. Österreich ist damit "Förder-Europameister". Bundesländer, Gewerkschaften und Kammern blockieren sinnvolle Reformen.

Wien.Jahr für Jahr überweist der Bund knapp 6,5 Milliarden Euro an die ÖBB. Annähernd die Hälfte davon kann man getrost „Förderung“ nennen. Das ist die obere Seite des österreichischen „Förderalismus“.

Jahr für Jahr freuen sich die Bauern einer kleinen Kärntner Gemeinde über je rund 17Euro, die ihnen die Kommune als „Entschädigung“ dafür überweist, dass sie ihnen keinen Gemeindestier mehr zur Verfügung stellt. Das ist die untere Seite.

In Summe sind es rund 15,5Milliarden Euro von Bund, Ländern und Gemeinden, die Österreich zum unangefochtenen Förder-Europameister machen. Eigentlich sind es sogar 17 Milliarden, denn der in dieser Summe nicht enthaltene EU-Anteil bei den Agrarförderungen wird – Österreich ist ja Nettozahler – de facto auch aus heimischem Steuergeld bezahlt. 17 Milliarden Euro – das ist deutlich mehr als ein Viertel der gesamten Steuereinnahmen des Bundes.

Wie viel es genau ist, kann aber niemand wirklich sagen. Denn es herrscht Intransparenz. Bund, Länder und Gemeinden fördern unkoordiniert nebeneinander (und manchmal doppelt) vor sich hin. Wohnungen werden ebenso gefördert wie Gewerbeinvestitionen, Kärntner Fahnen ebenso wie die Tuba der örtlichen Blaskapelle. Koordination wird es auch künftig nicht geben: Länder und Gemeinden haben diesen Eingriff in ihre Autonomie in dieser Woche erneut entschieden abgeblockt. Eine abgestimmte Strategie ist, wie die Verwaltungsreformgruppe der Regierung vor Kurzem kritisiert hat, schon deshalb unmöglich, weil mehrere Bundesländer keine Subventionsberichte veröffentlichen, also nicht einmal dokumentieren, wohin wie viel Geld fließt.

Das ist schade, denn da wäre für das Budget einiges zu holen. Mehr als eine Milliarde gleich mit einer zehnprozentigen Kürzung der größten Subventionsbrocken, meint das Wifo. Vier bis fünf Milliarden mittelfristig.

Der größte Brocken ist der Sektor Gesundheit: Hier schießt der Staat rund fünf Milliarden Euro zu. Der Bereich gilt als sensibel – aber auch als sehr ergiebig: Eine Milliarde ließe sich hier locker durch die Beseitigung von Parallelstrukturen und anderen Ineffizienzen einsparen, ohne die Leistungen für die Bevölkerung zu verschlechtern. Allerdings: Spitäler sind eine Länderdomäne. Die haben sie bereits (per Ausgliederung) zu so zweckentfremdeten Aktivitäten wie außerbudgetären Schuldenaufnahmen missbraucht. Und sie zeigen wenig Lust, sich dieses Instrument auch nur teilweise aus der Hand nehmen zu lassen.

Danach sind wir bereits beim Bereich Verkehr mit 3,7Milliarden Euro Zuschuss, worunter zum überwiegenden Teil die Bundesbahn zu verstehen ist. Hier gibt es eine politische Doppelblockade: Die SPÖ-dominierte Eisenbahnergewerkschaft blockt auf der Dienstrechtsseite, Infrastrukturministerium und Länder beharren auf teuren Infrastrukturprestigeprojekten mit zweifelhaftem volkswirtschaftlichen Effekt.

Wie sehr der Föderalismus eine sparsamere Gestaltung des „Förderalismus“ behindert, zeigt sich bei der Wohnbauförderung: Die ist jährlich mit 2,5 Milliarden Euro dotiert, wovon rund 900 Millionen aus einem mit einem Prozent der Bruttolöhne fixierten „Wohnbauförderungsbeitrag“ stammen, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte abliefern. Rund 800Millionen steuert der Bund bei, der Rest kommt aus Rückflüssen alter Wohnbaudarlehen.

„Gesetzlich legitimierte Veruntreuung“

Dieses Modell müsste eigentlich zu jährlich steigendem Wohnbauförderungsvolumen (oder, bei gleich bleibendem Bedarf, zu sinkenden Bundesbeiträgen) führen. Tut es aber nicht. Denn seit 2001 sind WBF-Mittel nicht mehr zweckgebunden und werden von den Ländern in hohem Maße zur Budgetkosmetik missbraucht. Etwa, indem aushaftendeWohnbaudarlehen, wie das einige Bundesländer gemacht haben, weit unter ihrem Nominalwert „verkauft“ werden. Das sorgt für sofortigen Geldzufluss, vermindert aber die Rückflüsse drastisch. Wirtschaftskammer-PräsidentChristoph Leitl hat diese Praxis vor wenigen Wochen „gesetzlich legitimierte Veruntreuung“ genannt.

Relativ großes Beharrungsvermögen steht auch hinter den 2,2Milliarden Euro Landwirtschaftsförderungen, von denen knapp 800 Millionen direkt aus dem nationalen Budget kommen. Hier sind selbst die Effizienzpotenziale schwer zu definieren: Mehr als 90 Prozent der Landwirte müssen, weil sie „pauschaliert“ sind, nicht einmal Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben führen. Und die Landwirtschaftskammer möchte diese Pauschalierung, die die tatsächlichen Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft verschleiert, sogar noch ausweiten.

APA/ Eurostat

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2010)

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