Museumschefin

"Hüterin der Beutekunst": Irina Antonowa gestorben

MOSCOW RUSSIA OCTOBER 9 2017 President of Moscow s Pushkin State Museum of Fine Arts Irina Ant
MOSCOW RUSSIA OCTOBER 9 2017 President of Moscow s Pushkin State Museum of Fine Arts Irina Ant(c) imago/ITAR-TASS (Sergei Bobylev)
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Irina Antonowa leitete mehr als 50 Jahre lang das Puschkin-Museum in Moskau. Sie sträubte sich vehement gegen die Rückgabe von Beutekunst, die sie als Entschädigung für Kriegsverluste verstand.

Im Alter von 98 Jahren ist die russische Kunstwissenschafterin IrinaAntonowa, Präsidentin des Puschkin-Museums in Moskau und "Hüterin der Beutekunst", gestorben. "Irina Alexandrowna ist tot", sagte Museumsdirektorin Marina Loschak der Staatsagentur Tass zufolge am Dienstag. In Deutschland war Antonowa als resolute Hüterin jener Kunstschätze bekannt, die Sowjetsoldaten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moskau brachten. Die "Beute" galt als Entschädigung für Kriegsverluste, die auf das Konto plündernder und brandschatzender Nazis gegangen waren.

Antonowa war im Alter von 91 Jahren 2013 als Museumsdirektorin zurückgetreten und hatte ihr Lebenswerk an die Kunstwissenschafterin Loschak übergeben. Sie blieb nach 52 Jahren an der Spitze des international bekannten Puschkin-Museums aber weiter dessen Präsidentin – und war bis zuletzt auch bei größeren Anlässen präsent. Antonowa hatte noch unter Sowjetdiktator Josef Stalin 1945 ihre Arbeit im Puschkin-Museum begonnen.

Ein Gesetz für Beutekunst inzwischen

Es gehörte zu ihrem Vermächtnis, dass ein russisches Gesetz gegen den Protest Deutschlands die "verlagerten Kulturgüter" als Wiedergutmachung festschreibt. Die Staatsduma - eine der beiden Kammern des russischen Parlaments - hatte die Beutekunst 1999 per Gesetz zum ständigen Eigentum Russlands erklärt. Deutsche Kunstexperten und Juristen berufen sich bei ihren Rückgabeforderungen vor allem auf das 1907 mit der Haager Landkriegsordnung beschlossene Verbot von Kunstraub. Zähe Verhandlungen führten zu einzelnen Erfolgen, beispielsweise 2002 zur Rückgabe mittelalterlicher Kirchenfenster nach Frankfurt/Oder.

Schatz des Priamos gehört jetzt Russland

Der von Heinrich Schliemann 1873 entdeckte Schatz des Priamos und das Gold von Eberswalde - beides lagert im Puschkin-Museum - gehörten inzwischen rechtmäßig Russland.

"Eine Rückgabe wäre der Beginn einer Revolution in den Kunstsammlungen der ganzen Welt", sagte Antonowa einmal. Sie verwies darauf, dass Museen weltweit voll seien mit Kunstschätzen von Eroberungszügen und Kriegen.

Die am 20. März 1922 in Moskau geborene Antonowa hatte in ihrer Kindheit einige Jahre in Deutschland gelebt und sprach Deutsch. Sie wehrte sich stets gegen Berichte, sie habe nach dem Krieg selbst Beutekunst ausgesucht. Noch zu ihrem 90. Geburtstag 2012 meinte die Frau, die oft wie ein Feldwebel in ihren strengen Kostümen auftrat, dass sie kein Ende ihrer Museumsarbeit absehe.

Geheimdepots mit Beutekunst

Russische Feuilletonisten lobten die Kunstwissenschafterin als Expertin von Weltrang, die mit großer Klugheit und unerschöpflicher Energie selbstbewusst und kompromisslos eines der wichtigsten russischen Museen führte. Zu Sowjetzeiten organisierte Antonowa die erste Schau mit Arbeiten des Surrealisten Salvador Dalí.

Nach Ende des Kalten Krieges öffnete sie die Geheimdepots mit Beutekunst, nachdem Moskau bereits zu DDR-Zeiten große Mengen etwa an die Gemäldegalerie in Dresden zurückgegeben hatte.

(APA/dpa/Red.)

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