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Offener Brief zur Matura: "Fühlen uns ignoriert und im Stich gelassen"

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Schülerinnen und Schüler haben einen offenen Brief an das Bildungsministerium geschickt und sammeln Unterstützungserklärungen. Sie fordern das Entfallen der mündlichen Prüfungen.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Aufgrund der aktuellen Situation im Bereich der Bildung haben wir uns als diesjährige Maturantinnen und Maturanten, die die Stimme vieler Mitschülerinnen und Mitschüler zu vertreten intendieren, dazu entschlossen einige Unzufriedenheiten an Sie zu adressieren. Nicht nur unsere körperliche, sondern auch unsere mentale Verfassung wird momentan in exzessivem Maße auf die Probe gestellt. Es liegt in unser aller Interesse die Situation sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für das Lehrpersonal zu erleichtern und Klarheit zu bringen. Daher wäre es uns ein Anliegen, diese Herausforderung Hand in Hand zu bewältigen.

Zunächst würden wir gerne mit den Hauptkritikpunkten beginnen. Die Spärlichkeit der weitergegebenen Informationen bezüglich aller Abschlussklassen ist womöglich der größte Stressfaktor, denn nach jahrelanger Vorbereitung auf den Abschluss ist es eigentlich nicht zumutbar nicht einmal Informationen zum genauen Ablauf zu erhalten und dann auch noch von diversen Medien (z.B. Kronen Zeitung!) vermittelt zu bekommen, dass die bisher erbrachte Leistung nicht von Bedeutung sei und dass sich unser Maturazeugnis mit einer Teilnahmeurkunde vergleichen ließe. An sich eher sinnlose Unterrichtsstunden wie Labor und Bildnerische Erziehung sowie sinnfreie Arbeitsaufträge (unter anderem Bewegungstagebücher) im Distance Learning, bei denen es sich de facto um eine reine Zeitverschwendung handelt, rauben wichtige Zeit zur intensiven Vorbereitung auf Matura und Widmung der VWA/ Diplomarbeit. Außerdem ist es Schülerinnen und Schülern mit Defiziten momentan, aufgrund der vom Gesundheitsministerium vorgegebenen Maßnahmen, nicht möglich diese mit Nachhilfe zu kompensieren. Viele Schülerinnen und Schüler wundern sich zudem, wohin die Schularbeiten, welche während des Lockdowns stattgefunden hätten, verschoben werden sollen. Es darf auf den Lockdown nämlich kein extremer Leistungsdruck folgen, doch dies erweist sich als unvermeidbar, wenn nicht zumindest ein Teil der Schularbeiten gestrichen wird.

In Österreich wird die mentale Gesundheit der Schülerinnen und Schüler in der Öffentlichkeit durchgehend als Priorität angeführt, doch dies kann offensichtlich nicht Realität sein, denn schon vor der Pandemie waren Schlaflosigkeit, depressive Episoden wie auch psychosomatische Beschwerden die Folge von zu hohem Leistungsdruck in der Schule. Durch die Pandemie haben sich die Zustände nur drastisch verschlechtert, denn man klickt sich von Online- Stunde zu Online- Stunde ohne eine klare Abgrenzung für Pausen und sitzt im Endeffekt durchgehend mehrere Stunden vor einem grellen Bildschirm. Als Schülerschaft fühlen wir uns ignoriert und im Stich gelassen, denn das Bildungsministerium umgeht wichtige Fragen als wäre es ein Waldbrand. In vielen Pressekonferenzen und Diskussionsrunden, die das klare Thema Schule als Problematik anführten, wurden Fragen zur Matura und den Abschlussklassen nicht einmal mit aufmunternden Worten abgewürgt.

Unter Berücksichtigung bereits erwähnter Anliegen fordern wir nun eindeutige Hilfestellung. Aktuell ist nicht klar, in welcher Form die Matura stattfinden wird und welcher Stoff relevant ist, denn immerhin fehlen uns mehrere Monate an Abarbeitung des Lehrplans. Es ist absolut nicht vertretbar die Zentralmatura in gewohnter Form stattfinden zu lassen. Mögliche Lösungsansätze dafür wären:

Einerseits das Entfallen der mündlichen Prüfungen, da dies eine deutliche Entlastung für alle Maturanten und Maturantinnen wäre, und sich auch schon im vorigen Jahrgang als effektive Lösung erwiesen hat.

Andererseits die DEZENTRALISIERUNG der Matura, da Lehrerinnen und Lehrer die Lehrpläne nicht immer zeitgleich und in selber Reihenfolge abarbeiten, wäre es fast ein Ding der Unmöglichkeit, herauszufinden, welche Stoffgebiete man streichen kann. Lehrerinnen und Lehrer könnten die Matura dann an den von ihnen durchgemachten Stoff anpassen, und so wird eine faire Reifeprüfung ermöglicht.

Bezüglich der neuen vom Ministerium bekanntgegeben Regelungen für die Matura 2021 möchten wir noch weitere Punkte anmerken:

Die Verschiebung der Maturaprüfungen auf den 20. Mai ist uns keine große Hilfe, denn in diesen wenigen Tagen kann man den versäumten Stoff ohnehin nicht nachholen, außerdem würden sich die Maturatermine teilweise mit den Aufnahmetests für die Universität überschneiden. Des Weiteren wird den Maturantinnen und Maturanten die lang ersehnte und wohl verdiente Freizeit nach ihrem Abschluss gekürzt.

Von viel größerem Nutzen wäre es, Schülerinnen und Schüler mit EINEM „Nicht Genügend“ im Zeugnis zur Matura antreten zu lassen, da sie sich in dieser Zeit des Distance Learnings hauptsächlich auf Fächer konzentriert haben, welche sie für wichtig erachten, weil es momentan auch schwerer ist, überall konstant mitzukommen. Natürlich sollten die Schülerinnen und Schüler anderer Schulstufen dann auch mit EINEM „Nicht Genügend“ in die nächste Schulstufe aufsteigen.

Wir hoffen, dass wir Ihre Aufmerksamkeit erreichen konnten, und bitten Sie, bei Ihren Überlegungen zur Durchführung der Matura und zur weiteren Vorgehensweise beim Homeschooling zu berücksichtigen, welchem großen Druck die Schülerinnen und Schüler im Moment ausgesetzt sind. Bitte bedenken Sie auch, dass auch Jugendliche und junge Erwachsene unter psychischen Problemen leiden können.

Zuletzt möchten wir darauf hinweisen, dass wir für diesen Brief unter http://chng.it/6yJTKctpvG Unterstützungserklärungen sammeln.

Wir erwarten baldige und konstruktive Rückmeldung sowie beidseitiges Ernstnehmen der aktuellen Situation.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Mit freundlichen Grüßen,

Alexandra Bogdan, Stephan Rinaldin und Laura Rollbach

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