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Mann tötet bei "Amokfahrt" in Fußgängerzone in Trier fünf Menschen

Trier steht nach einer Amokfahrt in der Innenstadt unter Schock.
Trier steht nach einer Amokfahrt in der Innenstadt unter Schock.APA/AFP/JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGE
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Mindestens fünf Menschen wurden getötet, darunter ein Baby. Die Polizei nahm einen 51-jährigen, stark alkoholisierten Deutschen fest. Der Oberbürgermeister sprach von einem „Amokfahrer". Die Hintergründe sind unklar.

Oberbürgermeister Wolfram Leibe versucht die Tränen zu unterdrücken, als er am Dienstagnachmittag in Trier vor die Kameras tritt. Der SPD-Politiker machte sich zuvor ein Bild in der Fußgängerzone seiner Stadt, die an diesem Dienstag Tatort ist. „Es war einfach nur schrecklich", sagt Leibe. „Da steht ein Turnschuh. Das Mädchen dazu ist tot."

Dann versagt dem Stadtchef die zittrige Stimme. Er reicht das Mikrofon weiter. Rund eineinhalb Stunden zuvor war ein Auto durch die Fußgängerzone der 115.000-Einwohner-Stadt in Rheinland-Pfalz nahe der Grenze zu Luxemburg gerast. Der Lenker rammte mit seinem Geländewagen Passanten. Mindestens fünf Menschen starben, über ein Dutzend wurden teils schwer verletzt. Das jüngste Todesopfer ist ein neun Wochen altes Baby.

Am Steuer saß ein 51-jähriger Deutscher aus der Region. Die Polizei nahm den Betrunkenen (1,4 Promille Alkohol im Blut) fest. Er wehrte sich. Bilder zeigen, wie ihn Beamte zu Boden drücken.

Ein Kilometer gezielte Todesfahrt

Um 13.47 Uhr hatte die Polizei erste Notrufe aus der pittoresken Innenstadt Triers erreicht. Deutschland ist nur im sanften Lockdown. Geschäfte und Schulen hatten auch in Trier geöffnet. Die Amokfahrt erstreckte sich Berichten zufolge über eine Länge von einem Kilometer. Der 51-Jährige steuerte sein Auto dabei in „Zickzacklinien“, um „gezielt Leid zuzufügen“, wie es später hieß. Die Amokfahrt endete in der Nähe des Wahrzeichens von Trier, der Porta Nigra, einem Stadttor aus Römerzeiten.

Die Behörden riefen eine „Sonderlage" aus. Bewohner wurden angehalten, die Innenstadt zu meiden. Zwar wurde bald Entwarnung gegeben, das Zentrum aber blieb auch danach Sperrgebiet für Passanten. Ermittler sicherten Spuren. Videoaufnahmen zeigten ein Großaufgebot an Einsatzfahrzeugen und flatternde Absperrbänder. „Wir sehen solche Bilder im Fernsehen ganz oft. Wir denken, das kann bei uns nicht passieren. Jetzt ist es passiert", erklärte der Oberbürgermeister der Stadt, die für sich beansprucht, die älteste Deutschlands zu sein. Später sagte er, dass es in der Innenstadt aussehe „wie im Krieg". Augenzeugen schilderten deutschen Medien dramatische Szenen. Menschen seien durch die Luft geschleudert worden.

Kein Hinweis auf politisches Motiv

Der Amokfahrer ist nicht vorbestraft. Die Tatwaffe, das Auto, hatte er sich offenbar von einem Bekannten ausgeliehen und darin auch die vergangenen Tage verbracht. Hinweise auf ein politisches Motiv hatten die Ermittler zunächst nicht. Eine erste Untersuchung deutete auf ein „mögliches psychiatrisches Krankheitsbild" hin, wie die Staatsanwaltschaft erklärte. Gewissheit gab es naturgemäß noch nicht. Gegen den Mann wird wegen Mordes aus Heimtücke ermittelt.

In den vergangenen Jahren kam es in Deutschland zu mehreren Amokfahrten, die später auf psychische Krankheiten zurückgeführt wurden, darunter jene von Münster im April 2018: Ein 48-jähriger Deutscher hatte mit einem Kleinbus Menschen gerammt. Es gab vier Tote und mehr als 20 Verletzte. Der Fahrer erschoss sich danach. Als Motiv nannten die Ermittler später „temporäre, psychische Labilität“. Aber auch Terroristen setzen Fahrzeuge als Waffe ein. Der Tunesier Anis Amri steuerte 2016 einen gekaperten Lkw in einen Berliner Weihnachtsmarkt.

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD), eilte noch am Dienstag an den Tatort in Trier, ihrer Heimatstadt. Auch im politischen Berlin wanderten die Blicke in den Südwesten der Republik, in die Grenzregion zu Luxemburg. „Die Nachrichten aus Trier machen mich sehr traurig“, erklärte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

(red./strei)

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