Filmfestival

Menschenrechte, heuer nur im Netz

This Human World
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Das „This Human World“-Festival versprüht seine (Protest-)Energien ab Donnerstag im Internet. Auch mit spannenden Filmen aus Österreich.

Die Digitalisierung der Filmfestivallandschaft schreitet voran. Während die Szene im Frühling noch debattierte, ob man Programme wirklich ins Internet auslagern sollte, wie das technisch funktionieren kann und ob dabei nicht etwas Wesentliches verloren geht, scheint die Skepsis in der zweiten Lockdownperiode gesunken zu sein: Einerseits gibt es mehr Erfahrungswerte; zum anderen will man angesichts einer immer noch ungewiss wabernden Zukunft präsent bleiben – und die in optimistischeren Zeiten investierte Programmarbeit nicht einfach verpuffen lassen. Viele erhoffen sich einen nachhaltigen Mehrwert von der Online-Aufstellung: Hybride Festivalmodelle, die Kinovorführungen mit Netz-Screenings verbinden, könnten sich nach Corona als Branchenstandard etablieren.

Auch in Österreich wagen mehr und mehr Laufbildevents den Sprung ins Netz. (Zwei prominente, die solchen Vorstößen kritisch bis ablehnend gegenüberstehen – das Slash-Filmfestival und die Viennale – hatten das Glück, im Herbstfenster unter Auflagen „physisch“ stattfinden zu können.) Eines, bei dem es relativ leichtfällt, Gegenargumente zu verdrängen, öffnet am kommenden Donnerstag seine Online-Pforten: die Wiener Menschenrechtsfilmschau „This Human World“.

Filme mit aktivistischer Schlagseite

Ihr geht es vor allem darum, humanitäre Missstände und politische Verwerfungen ins Licht zu rücken. Oft haben gezeigte Arbeiten eine aktivistische Schlagseite. Jetzt, wo globale Demokratie- und Protestbewegungen einem pandemischen Dämpfer ausgesetzt sind, scheint es umso wichtiger, die Erinnerung an ihre Energien wachzuhalten. Die abgespeckte Onlineversion des THW (etwa zwei Drittel der ursprünglich avisierten 86 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme stehen zur Verfügung) muss sich also nicht für den Wechsel ins Netz rechtfertigen.

Wie gewohnt wird ein globales Panorama entfaltet. Das Themenspektrum reicht von gefährdeter Pressefreiheit auf den Philippinen („We Hold The Line“) bis zur Rassismus-Problematik bei Gesichtserkennungssoftware („Coded Bias“). Doch manch ein Beitrag zieht Poesie und Beobachtung anklagender Polemik vor. So auch Iryna Tsilyks Eröffnungsfilm „The Earth is Blue as an Orange“. Empathisch-emotional erzählt er vom Alltag einer Familie im ukrainischen Donbass: Eine Mutter und vier Töchter halten hier mitten in bedrückender Kriegsnormalität Hoffnung und Lebensfreude aufrecht – mit einem privaten Filmprojekt, das ihre persönlichen Erfahrungen verarbeitet.

Ostblok

Künstlerischen Anspruch haben auch die Filme des Österreich-Wettbewerbs. „Davos“ von Daniel Hoesl und Julia Niemann zeichnet ein subtil ironisches Stimmungsbild des Weltwirtschaftsforums im Schweizer Alpenparadies, „Zaho Zay“ von Georg Tiller und Maéva Ranaïvojaona spinnt ein elegisches Bildgedicht über die Geister der Geschichte Madagaskars. Weniger raffiniert, dafür enorm sympathisch: „Robin's Hood“ von Jasmin Baumgartner folgt ungeniert den herzhaften Bemühungen eines goscherten Ex-Sträflings, ein Schmelztiegel-Kickerteam aus der Wiener Unterliga am Ball zu halten.

„This Human World“: 3.–13. 12., ausschließlich online auf www.thishumanworld.com. Einzeltickets können dort nach Registrierung erworben werden und kosten 3,90, ein Pass für alle Online-Screenings 25 Euro. Filme werden zu festen Zeiten freigeschaltet und bleiben danach 48 Stunden abrufbar. Das Kartenkontingent ist jeweils limitiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2020)

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