Pro: „Wir wollen niemanden künstlich am Leben erhalten“

Kontra bdquoWir wollen niemanden
Kontra bdquoWir wollen niemanden(c) Clemens Fabry
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„Die Presse“: Der Großbauer Maximilian Hardegg hat kürzlich in der „Presse am Sonntag“ fehlenden Unternehmergeist in der Landwirtschaft beklagt. Wie unternehmerisch sind denn Österreichs Bauern?

Gerhard Wlodkowski: Die österreichischen Bauern sind Unternehmer und fühlen sich auch so. Keinem Berufsstand wurden seit dem EU-Beitritt so große Veränderungen zugemutet: drei Agrarreformen, zwölf neue Mitgliedsländer. Das haben unsere Bauern mehr oder weniger bravourös gemeistert. Die Landwirtschaft lässt sich nicht in das Eck stellen, nur Subventionsempfänger zu sein und die Marktwirtschaft nicht zu kennen. Ein Landwirt, der eine Zukunft haben will, muss Unternehmer sein.

Dagegen spricht, dass die Förderungen im Vergleich zum selbst erwirtschafteten Einkommen der Bauern im Vorjahr weiter gestiegen sind.

Wlodkowski: Man muss die Kirche im Dorf lassen und das relativieren. Die Hauptursache für dieses Minus war die weltweit schlechte Wirtschaftslage, weshalb die Preise gefallen sind und weniger konsumiert wurde.

Ein Greißler, der sein Einkommen zu 94 Prozent vom Staat bezöge, könnte das wohl kaum argumentieren. Was räumt den Landwirten dieses Vorrecht ein?

Wlodkowski: Wir sind nicht mit einer Schraubenfabrik oder einem Schuster vergleichbar. Der Bauer produziert in Europa Nahrungsmittel für 500 Millionen Einwohner und hält die Umwelt in Ordnung, damit der Fremdenverkehr funktioniert und die Menschen sich wohlfühlen. Der Konsument verlangt, dass Dinge wie Gentechnik bei uns nicht zum Einsatz kommen. Und gegen Wetteranomalien kann man auch mit bestem Unternehmertum nichts machen.

Den Verbrauchern kann es doch eigentlich egal sein, ob seine Lebensmittel von 170.000 oder von 80.000 Bauern produziert werden.

Wlodkowski: Ich glaube nicht, dass das den heimischen Konsumenten wirklich egal sein kann. Wir lehnen eine industrialisierte Landwirtschaft, eine forcierte Massentierhaltung, den Einsatz von Hormonen, Gentechnik und solche Dinge entschieden ab. Ich habe den Eindruck, dass die Gesellschaft das auch honoriert.

Die hohen Agrarförderungen verhindern aber nicht, dass jährlich rund tausend Betriebe zusperren.

Wlodkowski: Es gibt keinen Stillstand, und den wird es auch in Zukunft nicht geben. Es wird auch weiterhin Fluktuation und Abwanderung stattfinden. In neuen Geschäftsbereichen fangen auch wieder junge Bauern an. Dass durch den technischen Fortschritt weniger Bauern mehr Leistung erbringen, steht aber außer Frage.

Was halten Sie von der Idee, Betriebe zu mehr Zusammenarbeit zu animieren, wie es Maximilian Hardegg vorgeschlagen hat?

Wlodkowski: Das findet ja teilweise schon statt. Landwirte nützen Maschinen gemeinsam oder kaufen gemeinsam ein, um auf diese Weise die Kosten herunterzufahren. Solche Kooperationen werden immer wichtiger und damit haben wir überhaupt kein Problem. Aber in den letzten 30 Jahren haben drei Viertel der Milchbauern aufgehört. Man muss den Strukturwandel nicht auch noch herbeibeten.

Aber der Strukturwandel passiert ohnehin.

Wlodkowski: Ja, der Strukturwandel findet statt. Jeder, der sagt, er kann ihn verhindern, spricht nicht die Wahrheit. Ihn extra zu fördern, halten wir für politisch und sachlich dumm. Außerdem hängt das immer von der Tüchtigkeit der Betriebsführer ab. Groß ist nicht gleich überlebensfähig.

Ein Betrieb mit einer Größe von drei Hektar muss also weitermachen können, auch wenn er längst am Existenzminimum lebt?

Wlodkowski: Mit drei Hektar wird er ja nicht überleben können. Wir wollen ihm nur nicht die Daseinsberechtigung absprechen. Er muss die Entscheidung, ob er weiterwirtschaftet, selbst treffen können. Wir wollen niemanden künstlich am Leben erhalten. Es geht vielmehr darum, dass der ländliche Raum dynamisch bleibt und die Jugend einen Sinn darin sieht, zu bleiben – und nicht in die Städte absiedelt.

Wenn von 19.000 Euro Einkünften im Jahr 18.000 Euro aus Förderungen kommen, ist das doch eine Art Künstliches-am-Leben-Erhalten.

Wlodkowski: Ich möchte festhalten, dass Konsumenten im Jahr 1970 ein Drittel ihres Einkommens für Lebensmittel ausgegeben haben. Jetzt sind es nur noch 13 Prozent.

Wenn der Konsument so viel weniger Geld für Essen und Trinken ausgibt, dann will er offensichtlich billigere Lebensmittel.

Wlodkowski: Die EU hat durch die Agrarreformen die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeuger weitgehend den Weltmarktpreisen angenähert. Das sind Überschusspreise, von denen ein Großteil der Betriebe nie leben könnte. Das Kostenniveau ist in Europa aber ein völlig anderes. Weltmarktpreise zu österreichischen oder europäischen Kosten kann es nicht geben. Da muss irgendwer die Differenz zahlen.

ZUR PERSON

Gerhard Wlodkowski ist seit dem Jahr 2007 Präsident der Österreichischen Landwirtschaftskammern und damit oberster Bauernvertreter des Landes. Der Steirer übernahm als 17-Jähriger den Hof seines Vaters in Gosdorf nahe Mureck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2010)

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