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Gefährte oder Nahrungsmittel? Chinas Umgang mit Hunden im Wandel

Umbruch. Neues Tierbewusstsein keimt in China: Hunde zu essen ist in einigen Provinzen mittlerweile verboten, verhindert wird das bizarre Festival in Yulin aber nicht.
Umbruch. Neues Tierbewusstsein keimt in China: Hunde zu essen ist in einigen Provinzen mittlerweile verboten, verhindert wird das bizarre Festival in Yulin aber nicht. (c) Getty Images/iStockphoto (ZakharovDenis)
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Zehn Millionen Hunde landen jährlich auf chinesischen Tellern. Mit wachsendem Tierrechtsbewusstsein könnte sich im Land der Mitte der Blick auf den Hund und seine Funktion wandeln.

Einst bevölkerten Straßen- und Zuchthunde China. Nur Wohl habende hielten Haustiere. Mit dem Wirtschaftswunder boomte der Rassehund als neues Statussymbol der Kleinfamilie. Shanghai, Qingdao und Chengdu legten sogar eine Ein-Hund-Politik pro Haushalt fest. Nun untersagte Kreis Weixin (Provinz Yunnan) jüngst das Gassi gehen zwischen sieben und 22 Uhr. Die scharfe Maßnahme dreimaliges Ertapptwerden durch die Exekutive beim Äußerln sollte eine Keulung des Wastels zur Konsequenz haben war die Reaktion auf gehäufte Beißattacken. Die Verordnung überging recht unelegant die Bedürfnisse der Spezies. Trotz Zensur brodelten die sozialen Netzwerke. Der Entrüstungssturm von Weixins Hundehaltern zwang die Behörden zum Einlenken die Regelung wird jetzt geprüft. Mit wachsendem Tierrechtsbewusstsein wandelt sich im Land der Mitte der Blick auf den Hund und seine Funktion. Ministeriale Sprachordnung bezeichnet ihn heute als "speziellen Begleitgefährten".

Zehn Millionen Hunde landen jährlich auf chinesischen Tellern. Infolge von Corona mussten die Lebendtiermärkte schließen, auch wenn Experten aus Virenverbreitungssicht die Massentierhaltung für das eigentliche Problem halten. Seit Mai 2020 verboten Richt linien vorübergehend Zucht und Handel von und mit Wildtieren, inklusive Verzehr des besten Menschenfreundes. Die Millionenstadt Shenzhen (Provinz Guangdong) stellte kanine Mahlzeiten jüngst explizit unter Strafe.

Außerhalb jener fünf Provinzen mit der Delikatesse auf dem Speiseplan unter anderem beim umstrittenen zehntägigen Hundefleisch-Festival von Yulin weist die Mehrzahl der Chinesen Haustierverzehr als Überbleibsel unzivisierter Traditionen entsetzt bis angeekelt von sich. Doch noch im zivilisierten Mitteleuropa gab es bis ins frühe 20. Jahrhundert Hundeschlächter und Hundegourmets. Das neue chinesische Nahrungstabu, mitunter angefacht von Billigfleischgenießern, trägt durchaus heuchlerische Züge, gilt doch gleichzeitig Bärengalle (Kragen- und Braunbären wird auf Farmen per Kanüle schmerzhaft Galle abgezapft) ganz offiziell als Coronaheilmittel.

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 27. 11. 2020)

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