Gastkommentar

Mehr Mut bei Neuem, weniger Ehrfurcht vor dem Etablierten

Innovation in Covid-Zeiten: Ein Forscher an der Universität von Malaga (Spanien), die an einem besonders schnellen PCR-Test arbeitet.
Innovation in Covid-Zeiten: Ein Forscher an der Universität von Malaga (Spanien), die an einem besonders schnellen PCR-Test arbeitet. imago images/ZUMA Wire
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Wollen wir die Zäsur durch Corona konsequent für Innovation und Digitalisierung nützen? Dann braucht es mutigere (rechtliche) Rahmenbedingungen.

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Die Covid-19-Krise wirkt in vielen Bereichen wie ein Brennglas – sie macht schonungslos Stärken und Schwächen deutlich. Nirgendwo wird das deutlicher als bei Innovation und Digitalisierung, also genau jenen Hebeln, mit denen Wirtschaft und Politik die Folgen der Krise möglichst rasch überwinden wollen. Dabei zeigt Corona die Notwendigkeit von Digitalisierung auf, erledigt sie aber nicht. Oder anders gesagt: Digitalisierung ist mit Homeoffice und Videokonferenzen nicht abgehakt. Und auch wenn vieles gelungen ist, so bleibt sowohl in Österreich als auch der gesamten Europäischen Union noch viel Luft nach oben. Die letzten Monate haben die Dominanz der amerikanischen und chinesischen Tech-Unternehmen deutlicher gezeigt denn je. Kein Wunder: Unter die Top-15-Unternehmen weltweit schafft es mit SAP gerade ein europäisches. Auch Österreich darf sich nicht ausruhen. Im Innovationsindex der niederländischen Bank ING ist Österreich jüngst vom siebenten auf den zehnten Platz in der Eurozone zurückgefallen.

Noch vor gut sechs Monaten hätte jemand einwenden können: Aber halt! Wir haben doch Unternehmen wie Wirecard! Doch auch hier hat die beispiellose Wirtschaftskrise radikal die wahren Verhältnisse gerade gerückt. Denn genau dieser mittlerweile pleite gegangene Online-Zahlungsdiensteabwickler wurde viele Jahre als einer der wenigen europäischen Tech-Champions abgefeiert. In Wirklichkeit wurde die Bilanz mit erfundenen Forderungen aufgeblasen – und das jahrelang an allen Aufsichtsbehörden vorbei.

Streng bei den Kleinen, lax bei den Großen

In der EU gäbe es viele gute Voraussetzungen, um weltweit erfolgreiche innovative Unternehmen zu gründen: Milliarden für Förderprogramme, gute Universitäten, viel Kreativität.  Warum gelingt es nicht besser? Meine These: Europa – und das gilt auch für Österreich –  ist viel zu streng in der Gründungsphase und wird dann seltsam lax sobald ein Unternehmen etabliert ist. Die USA ticken hier immer noch anders, wenngleich auch dort der Elan vergangener Zeiten abgenommen hat. Dennoch: Ein Unternehmen zu gründen geht immer noch wesentlich schneller, mit geringeren Auflagen und Kosten. Dafür zeigen die US-Behörden dann ihre Krallen, wenn eine kritische Größe erreicht wird (etwa durch rigorose Kartellverfahren).

Natürlich liegt es zuallererst an den Gründern. Aber unterschätzen wir nicht die Signalwirkung des Staates und seiner Regulierung. Bei uns sagen beide noch viel zu oft: „Achtung! Was für ein Risiko! Zuerst müssen wir Gläubiger und Verbraucher schützen.“ Kein Wunder, dass dann zu viele die Sicherheit eines Angestelltenverhältnisses vorziehen.

Unternehmen in der Sandkiste

Wir brauchen daher neue Regulierungsmodelle, die innovative Unternehmen in der Startphase speziell unterstützen. Und hier kommt aktuell einiges in Bewegung. So wurde heuer im Sommer die sogenannte „Regulatory Sandbox“ zur Erprobung innovativer Geschäftsmodelle im Finanzbereich gesetzlich verankert. Dabei können Fintechs in einer Testphase ihr Service mit einer speziellen Konzession betreiben. Ist der Test erfolgreich, verlässt das Unternehmen die „Sandkiste“ in die reguläre Aufsicht. Übrigens ein schönes Beispiel, dass man nicht immer auf die EU warten muss, sondern auch national innovativ sein kann. Die Ausweitung von „Regulatory Sandboxes“ auf allgemeine Verfahren, etwa im Gewerberecht, wäre ein wichtiger nächster Schritt . Ein solcher ist auch die angekündigte „Austrian Limited“ als neue Form der Kapitalgesellschaft. So sollen Neugründungen durch niedriges Nennkapital, vereinfachte Anteilsübertragungen und digitale Verwaltungsprozesse (auch mit Englisch als Amtssprache) vereinfacht werden. Beide Maßnahmen sind eine langjährige Forderung der Innovationsbranche und müssen jetzt rasch umgesetzt werden.

Markus Fallenböck.
Markus Fallenböck.(c) Beigestellt

Der Autor

Markus Fallenböck ist ist Jurist und Start-up Unternehmer in Wien. Davor war er viele Jahre Manager in der Medienbranche etwa bei der Styria Media Group und der Verlagsgruppe News tätig.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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