Pakistan: Eine Million Flüchtlinge in zwei Tagen

Pakistan Flut
Pakistan Flut(c) AP (Kevin Frayer)
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Im Süden des Landes brechen immer neue Dämme und Deiche. Besonders betroffen ist die Region um die Stadt Thatta. Die Vertriebenen kritisieren die Helfer, die sie angeblich "entwürdigend" behandeln.

Ein weiterer Dammbruch am Fluss Indus hat die Lage für die Hochwasseropfer im Süden Pakistans am Samstag verschärft. Die Behörden erwarteten eine Überflutung von Außenbezirken der Großstadt Thatta im Laufe des Tages. Mehr als 175.000 Einwohner haben die Stadt bereits verlassen. Insgesamt seien in der Umgebung von Thatta nun 2,3 Millionen Menschen ohne Unterkunft, sagte der Verantwortliche für die Hilfsmaßnahmen in der Provinz Sind, Ghulam Ali Pasha.

Am Freitag war die 300.000-Einwohner-Stadt Thatta praktisch vollständig geräumt worden, weil ein nahe gelegener Damm gebrochen war und das Wasser durch einen 20 Meter breiten Riss strömte. Laut Pasha sind durch die Überschwemmungen in der Provinz Sindh seit Anfang August sieben Millionen Menschen vertrieben worden, "allein eine Million in den vergangenen zwei Tagen".

Wie ein Sprecher der örtlichen Verwaltung mitteilte, suchen viele Menschen Schutz auf Anhöhen in der Region. Zehntausende Flüchtlinge hätten sich mit ihren Habseligkeiten auf den Weg in die 100 Kilometer westlich gelegene Hafenmetropole Karachi gemacht. Nach UN-Angaben sind von der Jahrhundertflut landesweit mehr als 17,2 Millionen Menschen betroffen. Etwa die Hälfte davon ist auf Hilfe angewiesen.

Kritik an Helfern: "Entwürdigend"

Landesweit sind mehr als acht Millionen Menschen dringend auf Soforthilfe angewiesen. Aus Protest gegen eine unzulängliche Versorgung mit Hilfsgütern blockierten Flutopfer in Thatta am Samstag eine Straße. Die Helfer "behandeln uns wie Bettler", klagte eine 80-Jährige. "Sie werfen einfach mit der Nahrung. Es ist entwürdigend." Die Hilfsgüter werden häufig von Lastwagen in die Menge geworfen. Viele Bedürftige gehen so leer aus.

In den am Anfang der Katastrophe am stärksten betroffenen Regionen im Norden und Zentrum Pakistans ging das Wasser allmählich zurück, doch die heftigen Regenfälle der vergangenen Wochen haben den Indus nahe seiner Mündung extrem anschwellen lassen. Die Gegend nahe der Mündung ist äußerst fruchtbar und daher dicht bevölkert. Seit einer Woche sind die Dörfer und Städte dort jedoch nahezu menschenleer.

Unicef: Hilfsbedarf verdreifacht

Die Opfer der Flutkatastrophe benötigen nach Einschätzung des UNO-Kinderhilfswerks Unicef dreimal so viel Unterstützung wie zunächst angenommen. Um den dringenden Bedarf an Hilfsgütern zu finanzieren, seien in den kommenden drei Monaten an die 111 Millionen Euro nötig, teilte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen in Paris mit. Zunächst sei man nur von 36 Millionen Euro ausgegangen. Das US-Außenministerium warnte Helfer in Pakistan unterdessen vor möglichen Anschlägen.

Es gebe Informationen über eine Bedrohung durch Gruppen wie die radikal-islamischen Taliban, sagte US-Ministeriumssprecher Philip Crowley am Donnerstag (Ortszeit) in Washington. "Dass die Extremisten das überhaupt erwägen, zeigt, wie sehr sie das Wohlergehen der Bevölkerung missachten."

Die EU-Kommission erklärte am Freitag, sie wolle darauf achten, dass die Millionen-Hilfe der Europäischen Union tatsächlich alle Opfer der Flutkatastrophe erreicht. "Die Gefahr besteht darin, dass wir einige Bevölkerungsgruppen erreichen, andere aber nicht", sagte die für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa am Freitag in Brüssel. Dies dürfe nicht geschehen, wenn auf Dauer Unruhen und Instabilität verhindert werden sollten.

(Ag.)

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