Kolumne zum Tag

Fromme Wünsche unter Anführungszeichen

(c) REUTERS (Mark Makela)
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Man kann nicht alles richtig machen. Aber auch nicht alles falsch.

Der Schnee ist gut. So viel Freude hat schon lang nichts mehr ausgelöst, und das gleich in der Früh. Es fühlt sich an wie im Winter, sagt ein Kind. Es ist Winter. Aber alles steht unter Anführungszeichen, so als ob man dieses Jahr von außen erlebe. Zu unwirklich, immer noch.
Vielleicht ist es deshalb so reizvoll, einige gewohnte Aktivitäten zu machen, als ob nichts wäre. Durch die Finsternis des frühen Abends zu schlendern, hin zur Weihnachtsbeleuchtung und zum Stimmengewirr. Da wird Punsch ausgeschenkt. Jeder ist der Einzelne, der sich hier gemeinsam anstellt, mit Abstand. Andere gehen kopfschüttelnd vorbei.
Das Herumstehen und Glühweintrinken wird nun verboten. Zu lange Schlangen haben sich gebildet und dann wurde aus dem „to go“ ein Fleckerlwalzer. Wo doch genug Platz gewesen wäre, sich ein wenig auszubreiten.

Jetzt wird wieder gegeneinander aufgerechnet. Man kann sich vorstellen, was am 8. Dezember in den Einkaufsstraßen los sein wird. Die, die sich dort durch die Gegend schieben, sind die Idioten, die sich an nichts halten. In den Nachrichten ist von Umsatzeinbrüchen die Rede, von einem Schuldenberg und von Zahlen, die nicht rasch genug sinken. Man wollte doch nur schnell einmal etwas besorgen, wegen Weihnachten und so. Dass alle anderen da sind, dafür kann man nichts.
Die Oberstufenschüler müssen weiter auf Distanz bleiben. Sind doch ohnehin dauernd online, die Jungen. Wie es ihnen geht? Ein Schulterzucken.

Es gibt ein Richtig, aber es gibt noch viel mehr Falsch. Aus dem Fenster klatscht schon seit dem Frühling keiner mehr. Mehr Verständnis füreinander ist das, was man einen frommen Weihnachtswunsch nennt. Unter Anführungszeichen.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2020)

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