Dönmez: "Schakfeh legt Strache einen Elfer auf"

Efgani Dönmez
Efgani Dönmez(c) Michaela Bruckberger
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Mit der Forderung, in jeder Landeshauptstadt eine Moschee zu bauen, hat der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft provoziert. Auch Efgani Dönmez, den grünen Parteirebellen mit türkischen Wurzeln.

Was bringt die aktuelle Moscheendebatte?

INFO

Efgani Dönmez: Die FPÖ kann sich beim Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ, Anm.), Anas Schakfeh, für diese Wahlkampfunterstützung bedanken, er hat Heinz-Christian Strache damit einen guten Dienst erwiesen. Er hat ihm vor den sehr wichtigen Wahlen in Wien und der Steiermark sozusagen einen Elfmeter aufgelegt.

Also braucht man gar nicht mehr Moscheen in Österreich?

Efgani Dönmez: Was man braucht, sind angemessene Räume zur Religionsausübung. Denn wenn Angehörige einer anerkannten Religionsgemeinschaft sich in Hinterhöfe verziehen müssen, liegt das Problem auf der Hand: Man weiß einfach nicht, was dort passiert und wer dort am Werk ist. Wenn man den Islam als Religionsgemeinschaft anerkennt, sollten wir als Österreicher Interesse daran haben, dass die Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft auch gleichwertige Mitglieder dieses Landes sind. Das heißt umkehrt dann auch, dass die Muslime ohne Wenn und Aber die Demokratie, den Rechtsstaat, die verbesserungswürdige Gleichstellung von Mann und Frau zu respektieren, zu akzeptieren und auch zu leben haben. Und gleichzeitig müssen wir als österreichische Gesellschaft, vor allem die Politiker, mitreden dürfen, wenn ein derartiges Gebetshaus errichtet wird.

Und was passiert stattdessen?

Efgani Dönmez: Wir stecken den Kopf in den Sand und hofieren gleichzeitig die radikalen islamistischen Strömungen. Das nützt problematischerweise indirekt auch dem rechten Lager, weil Integration dadurch erschwert wird.

Was spräche denn eigentlich gegen eine Moschee mit Kuppel und Minarett in jeder österreichischen Landeshauptstadt, wie sie Schakfeh gefordert hat?


Efgani Dönmez: Es steht nirgends geschrieben, dass ein Gebetshaus ein Minarett haben muss. Es gibt viele alte Gebetshäuser, die kein Minarett haben. Geht es darum, dass ich den Menschen einen Raum gebe, um ihre Religion auszuüben? Oder geht es um Architektur? Es ist doch ganz egal, ob ein Zwiebelturm oder ein Minarett draußen ist.

Sollte man also aus Rücksicht auf den sozialen Frieden auf ein Minarett verzichten?


Efgani Dönmez: Wenn es nicht ins Ortsbild passt, sollte man auf ein Minarett verzichten, natürlich. Es geht nicht um Symbole. Wir sind doch nicht in einem Phallusrennen, wo man darum wetteifert, ob der Kirchturm oder das Minarett höher ist.

Warum gibt es eigentlich so viele Ressentiments gegenüber den Symbolen des Islam?

Efgani Dönmez: Niemand muss sich vor dem Islam fürchten. Bei der Religion kommt es allein darauf an, was die Menschen daraus machen. Genauso wenig wie Kinderschänder mit dem katholischen Glauben etwas zu tun haben, hat auch der Islam mit jenen Gewaltverbrechen zu tun, mit denen er in Verbindung gebracht wird. Ich sage das auch in dieser Härte, damit die Menschen einmal aufstehen und erwachen.

Welche Hintergründe sehen Sie in der österreichischen Moscheendebatte?

Efgani Dönmez: Jeder, der sich auch nur oberflächlich mit der Thematik auseinandersetzt, weiß, was da seit Jahrzehnten abläuft. Die muslimische Community ist seit sehr langer Zeit eine der größten Migrantengruppen in diesem Land. Wenn man sich aber die unterschiedlichsten Untersuchungsergebnisse anschaut, bemerkt man, dass ebendiese Gruppe, was Integration, Sprachkenntnisse oder Repräsentanz auf dem Arbeitsmarkt betrifft, immer die letzten Plätze einnimmt. Da stellt sich für mich die Frage, was haben die selbst ernannten Vertreter dieser Community oder die sogenannten Kulturvereine dieser Community eigentlich schon für die Integration geleistet?

Sie meinen, Integration sei gar nicht im Interesse von Schakfeh und der Islamischen Glaubensgemeinschaft?

Efgani Dönmez: Die Ergebnisse der unterschiedlichen Untersuchungen zum Thema Integration sprechen wohl für sich. Die Migrantenvereine sollten einmal offenlegen, welche Kontakte sie in ihre Herkunftsländer haben, als Arm welcher konservativen politischen Kräfte des politischen Islamismus sie hier in Österreich tätig sind. Es ist ein riesiger Fehler, dass die IGGiÖ von der heimischen Politik als offizielle Vertretung der Muslime anerkannt wird. Dem ist nicht so, das ist eine Realität: Nur ein Prozent der Moslems ist in der IGGiÖ wahlberechtigt. IGGiÖ-Präsident Schakfeh hat zum Beispiel auch eine große muslimische Gruppe quasi aus dem Islam verbannt, indem er sie nicht einmal in die Islamische Glaubensgemeinschaft aufnimmt: die Aleviten.

Denen auch Sie angehören.


Efgani Dönmez: Ich bin auch alevitischstämmiger Moslem, ja. Stellen Sie sich vor, die katholische Kirche würde die Protestanten aus dem Kreis der Christen ausschließen. Das wäre unvorstellbar. Der Herr Schakfeh macht das aber.

Warum versucht man nicht, die Vertretung der Muslime auf breitere Basis zu stellen?

Efgani Dönmez: Weil keiner in diesem Land daran interessiert ist, das zu ändern. Wollte man es ändern, müsste man die Verantwortung und die Klarheit einfordern und ein Staatssekretariat für Migration und Integration installieren.

Warum passiert das nicht, glauben Sie?


Efgani Dönmez: Es besteht kein wirkliches Interesse daran. Das Ausländerthema eignet sich immer noch hervorragend, um von Problemen abzulenken. Das kann man super instrumentalisieren und emotionalisieren. Alle Beteiligten im gesamten politischen System von links bis rechts, alle Institutionen, aber auch die Migrantenvereine beteiligen sich daran und profitieren davon. Am meisten profitiert die SPÖ. Die unterstützt die konservativen, nationalistischen Migrantenvereine, um Wählerstimmen zu lukrieren. Im Gegenzug gibt es finanzielle Zuwendungen oder Sachspenden.

Wäre es nicht Aufgabe der Grünen, gegen – wie Sie sagen – konservative und nationalistische Strömungen vorzugehen?

Efgani Dönmez: Mich wundert es wirklich, dass noch kein Vertreter der linken Kräfte, weder SPÖ noch die Grünen, dieses Thema aufgreift. Seit 1945 wissen die Österreicher aber auch, wer in diesem Land für die Politik verantwortlich ist. Wir Grünen, insbesondere ich, analysieren und bieten Lösungen an. Wir werden zu Unrecht dafür bestraft und in eine Ecke der angeblichen Ausländerfreunde gestellt. Das ist nicht so.

Sollte man in Manhattan, 400 Meter von Ground Zero, eine Moschee bauen dürfen?

Efgani Dönmez: Ich glaube, Wortmeldungen eines österreichischen Politikers dazu kann niemand gebrauchen.

Was bedeutet Ihrer Meinung nach der Widerstand rund um diesen Moscheenbau für ein Land wie die USA, in dem Religionsfreiheit eine traditionell hohe Bedeutung hatte? Findet eine Radikalisierung statt?


Efgani Dönmez: Ich bin für absolute Religionsfreiheit. Man muss der Realität aber ins Auge sehen und zugeben, dass es Strömungen gibt, die diese Freiheit missbrauchen. Ein Beispiel ist die Fethullah-Gülen-Bewegung, deren Chefideologe in Amerika sitzt, das System ausnützt und eine globale, bis nach Österreich reichende Organisationsstruktur aufbaut, die die Demokratie nur als Zug sieht, auf den man aufspringt, um an das Endziel zu gelangen: die schleichende Islamisierung. Wo Menschen die Religionsfreiheit in dieser Weise ausnützen, hört sich bei mir die Toleranz auf.

Efgani Dönmez
wurde am 30. 10. 1975 in Kangal in der Türkei geboren, aufgewachsen ist er in Pinsdorf im oberösterreichischen Salzkammergut.

2008 wurde Dönmez als auf Bundesebene erster Abgeordneter mit Migrationshintergrund in den Bundesrat berufen.

Grüne Reizfigur:
Im Laufe seiner politischen Karriere hat sich Dönmez nicht nur Freunde gemacht: Zuletzt warf er Migrationssprecherin Alev Korun vor, dem politischen Islamismus eine Bühne zu bieten. Davor war er mit Aussagen über hierzulande eingesetzte Imame („Kameltreiber aus Anatolien“) aufgefallen. Als er einmal sagte, „Brüste zu haben reicht bei den Grünen nicht als Qualifikation“, ging ein Aufschrei durch die Partei.

("Die Presse am Sonntag", 29. August 2010)

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