Mechatronik, der Golem des 21. Jahrhunderts

In Linz begann es: ein interdisziplinäres Studium als Wegbereiter für Patente und Produktentwicklungen.

Der Golem, ein aus Lehm und Ton künstlich gebildetes Wesen mit besonderen Kräften, geistert seit Jahrhunderten durch die Erzähltradition. „Im 21. Jahrhundert stellen mechatronische Systeme moderne Golems dar“, befindet der Industrielle Alfred Hutterer: Die Muskeln werden durch Aktoren verstärkt, das Gehirn durch Mikroprozessoren. Anders der Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber (Uni Linz): Er geht von zwei großen Revolutionen der Menschheitsgeschichte aus: der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert und der Elektrizität 400 Jahre später. Fast zwangsweise kommen die weiteren Schübe, der erste Computer, die Mikroelektronik, nun die Mechatronik.

„Mechatronik – die stille Revolution“ lautete der Titel eines Arbeitskreises in Alpbach. Oberösterreich hat hier eine Vorreiterrolle: Im Jahr 1990 wurde Mechatronik als Studium in Linz eingeführt – und zwar weltweit erstmals an einer Universität. Mechatronik wird als interdisziplinärer Bereich definiert, der sich mit dem Zusammenwirken mechanischer, elektronischer und informationstechnischer Elemente beschäftigt.

Dabei kommt das Kunstwort „Mechatronic“ aus Japan, wo es als Abkürzung für „Mechanical and Electronic Engineering“ diente. „In Europa ist die Mechatronik groß geworden“, sagt der für dieses Studium in Linz zuständige Kurt Schlacher. In Kooperation mit der LCM (Linz Center of Mechatronics) und dem Comet-Kompetenzzentrum ACCM wurden zahlreiche Patente angemeldet. Aber nicht alles kann produktreif entwickelt werden. Schlacher weist auf den „berühmten Roboter“ hin, der durch die Adern kriecht und die Blutgefäße reinigt. Das sei vorstellbar, aber die erforderlichen Technologien seien (noch) nicht vorhanden.

Ein wichtiger Ideenlieferant für die Mechatronik ist die Bionik, die sich an der belebten Natur orientiert und von dieser durch fortgesetzte Beobachtung – der Bioniker Werner Baumgarter (siehe Bericht oben) spricht von einem Erkenntnisgewinn nach dem anderen – zu neuen Techniken führt. Baumgartner selbst begann im ersten Mechatronikjahr, also 1990, in Linz das Studium und forscht heute an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2010)

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