Pandemie-Bekämpfung

Diese Länder sind Corona-Musterschüler

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hat mittlerweile wieder gut lachen.
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hat mittlerweile wieder gut lachen. (c) APA/AFP/DAVE LINTOTT (DAVE LINTOTT)
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Geografische Parameter, aber zum Beispiel auch die Regierungspolitik gegen die Pandemie spielen eine Rolle.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) berät sich in Abständen hinsichtlich der Coronakrise mit Amtskollegen der sogenannten, von ihm selbst initiierten "Smarten First-Mover-Countries". Dazu gehören Australien, Israel, Griechenland, Norwegen, Tschechien und Dänemark. Sie hatten die erste Welle der Pandemie durch früh gesetzte strikte Maßnahmen ähnlich gut gemeistert wie Österreich.

Inzwischen hat sich das Bild jedoch geändert. Die meisten "Smarte Movers" fielen zum Beispiel über den Sommer und Frühherbst bei den Neuinfektionen teils dramatisch zurück. Andere Staaten haben demgegenüber ganz offensichtlich wirksamere Strategien entwickelt, um der Ausbreitung des Coronavirus Herr zu werden. Warum sie die Pandemie besser meistern als andere, dafür sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Neben geografischer Parameter wie der Bevölkerungsdichte oder einer Insellage spielen auch starke Gesundheitsinstitutionen sowie die Schritte, die die Regierungen im Rahmen ihrer Corona-Politik gesetzt haben, eine Rolle.

Im Folgenden einige Beispiele für solche Länder:

Neuseeland

25 Tote und 2.069 Infizierte (davon 70 aktiv), oder fünf Tote und 414 Fälle pro Million Einwohner. Das Land am anderen Ende der Welt ist zweifellos in einer günstigen Lage, sich gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu schützen. Nicht nur die Insellage, sondern auch die vergleichsweise geringe Bevölkerungsdichte (15 Einwohner pro Quadratkilometer) begünstigen die Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Zudem beginnt derzeit auf der Südhalbkugel die warme Jahreszeit.

Die Regierung von Jacinda Ardern hat aber auch nichts dem Zufall überlassen und setzt seit der ersten Welle auf rigorose Maßnahmen. Einreisende werden nicht nur kontrolliert, sondern zwei Wochen in eine staatlich überwachte Quarantäne gesteckt. Mit dem Ziel, die Infektionskurve abzuflachen, gab sich die neuseeländische Regierung nicht zufrieden. Das Virus sollte "ausgelöscht" werden. Regierungschefin Ardern setzte dabei auf Empathie und appellierte an ihre Landsleute, als "Fünf-Millionen-Team" gemeinsam die verletzlichen Gruppen zu schützen. Im Juni erklärte sich das Land erstmals coronafrei und kehrte vorübergehend zur Normalität zurück. Als im August neue Fälle in der Millionenmetropole Auckland auftraten, wurde umgehend ein neuer Lockdown verhängt und die Ausbreitung gestoppt. Erst Mitte November gab es wieder lokale Übertragungen, seitdem bewegt sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich.

Taiwan

Die Insel, die die Führung in Peking als Teil Chinas sieht, und die jeder Staat, der China anerkennt, nicht anerkennen darf, hat die Pandemie relativ früh unter Kontrolle gebracht und unter Kontrolle gehalten. Die erste Infizierte im Land war am 21. Jänner eine Taiwanesin, die in der zentralchinesischen Stadt Wuhan gearbeitet hatte. Angesichts der Einschleppung von außen hat die taiwanesische Regierung die Grenzen geschlossen, und die Grenzen sind auch nach wie vor weitgehend zu. Jeder, der ankommt, muss einen negativen Covid-19-Test bei sich haben. Bei 24 Millionen Einwohnern gab es bisher deutlich unter 1.000 Infektionsfälle und weniger als 100 Tote.

Taiwan war zudem gut vorbereitet. Nach der Erfahrung mit dem Sars-Virus 2003 war ein eigenes Nationales Gesundheits-Kommando-Zentrum (NHCC) für Seuchenfälle als permanente Institution und Koordinationszentrale gegründet worden, wo die Arbeit aller involvierten Behörden zusammenläuft. International wäre die Expertise aus Taiwan gefragt, doch aus politischen Gründen kann Taiwan sie kaum teilen. China lässt Taiwan nicht in internationale Organisationen, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die vor diesem Hintergrund auch keine Corona-Zahlen für Taiwan ausweist.

China

Die Ein-Parteien-Diktatur kann vor allem aufgrund drastischer Maßnahmen glänzen. Millionenstädte wurden zum Teil über Wochen abgeriegelt. Strikte Isolation, Massentests und eine praktisch lückenlose digitale Nachverfolgung von Fällen, bei der auf Privatsphäre keine Rücksicht genommen wird, haben jedoch dazu geführt, dass das Milliardenvolk besser durch die Krise gekommen ist als der Westen. Seit Monaten gibt es nach offiziellen Angaben kaum noch Neuinfektionen. Das Leben hat sich wieder zu einem Gutteil normalisiert. Ökonomen gehen davon aus, dass China heuer die einzige große Volkswirtschaft sein wird, die das Jahr mit einem positiven Wachstum abschließen kann.

Singapur

Der Stadtstaat Singapur, an der gleichnamigen Seestraße gelegen, hat nur eine Landgrenze zu einem Nachbarn - zu Malaysia. Die Regierung war seit Beginn der Pandemie bestrebt, Infizierte so früh wie möglich, zu finden. Die Mittel sind "aggressives" Contact Tracing und Testen, wie die Nachrichtenagentur Reuters schreibt. Fast 20 Prozent der 5,7 Millionen Einwohner wurde von Tests erreicht.

95 Prozent der Infizierten in Singapur sind Migranten, die zur Arbeit nach Singapur kommen. Die Bau- und Werftarbeiter leben oft auf engstem Raum in Heimen zusammen - eine Situation, wo sich das Virus leicht verbreiten kann. Massentests betrafen daher vor allem diese Gruppe. Aber auch Altersheime und Personen mit einschlägigen Vorerkrankungen standen im Fokus. Auch hier gab es Grenzschließungen, die aber mittlerweile für eine Handvoll Staaten, daraunter Australien, Neuseeland und China wieder aufgehoben wurden. So wurde Singapur das Land mit der niedrigsten Todesrate unter den Covid-19-Kranken. Nur 29 starben von bisher 58.230 Infizierten.

Zugleich hat die Seuche die Sozialproblematik der Arbeitsmigranten offen gelegt, die im Vergleich zu den Einheimischen unter schlechten Bedingungen leben. Auch wurden ihre Schlafstätten zeitweise völlig abgeschottet, so dass keine Bewegungsfreiheit herrschte.

Japan

In keinem Land ist die Überalterung der Gesellschaft so drastisch wie in Japan. Weil ältere Menschen öfter schwerwiegende, gesundheitliche Konsequenzen im Fall einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu Tragen haben, bis hin zum Tod, würde man meinen, dass auch die Corona-Sterblichkeit womöglich höher ist als anderswo. Das ist jedoch nicht der Fall. Bei 127 Millionen Einwohnern führt die WHO aktuell 2.213 Tote und 152.827 Infizierte. In den letzten sieben Tagen betrug die Zahl der Corona-Toten pro Million Einwohner in Japan laut dem deutschen Statistik-Portal Statista 1,15. Zum Vergleich: In Österreich waren es 75,81, in Deutschland 24,29, in den USA 31,39.

Experten sehen mehrere Faktoren für die niedrigen Zahlen verantwortlich: Die alle Einwohner umfassende Gesundheitsversicherung und die gut ausbalancierte, private und öffentliche Gesundheitsversorgung. Jeder Japaner kann sich an ein örtliches Gesundheitszentrum wenden und muss nichts bezahlen; die Kosten werden über Steuern gedeckt. Diese Zentren spielen eine wichtige Rollen beim Testen und der Nachverfolgung von Kontakten in Japan, wurde in einem Artikel im Online-Magazin "The Diplomat" betont. Hinzu kommt die hohe Disziplin der Japaner auf den teils dicht bevölkerten Inseln, sich an die Hygienemaßnahmen wie Mund-Nasen-Schutz und Hände desinfizieren zu halten.

Finnland

408 Tote und 26.422 Infizierte (davon 7.914 aktiv), oder 74 Tote und 4.766 Fälle pro Million Einwohner. Finnland hatte zu Beginn der Pandemie im Vergleich zu seinen nordeuropäischen Nachbarländern rasch und gezielt restriktive Maßnahmen verhängt. So wurde etwa die Hauptstadtregion Uusimaa, in der sich die Hauptstadt Helsinki befindet, wegen einer hohen Konzentration von Covid-Fällen kurzfristig praktisch isoliert. Inlandsreisen von und aus der Region waren nur für bestimmte Personengruppen erlaubt. Restaurants wurden geschlossen. Die Mitte-Linksregierung von Ministerpräsidentin Sanna Marin hatte sich dafür vom Parlament ein Bereitschaftsgesetz mit umfangreichen Befugnissen genehmigen lassen. Dieses Gesetz wurde aber Ende des Frühjahres wieder außer Kraft gesetzt.

In den letzten Wochen wurde wegen steigender Fallzahlen die mögliche Wiedereinführung des Gesetzes für allfällige neue Notmaßnahmen diskutiert. Vorerst unterblieb dies jedoch. Am Donnerstag stellte die Regierung in Helsinki ihren Impfplan vor, wonach im Jänner zuerst das Pflegepersonal geimpft werden soll, im Februar alte Menschen und solche aus anderen Risikogruppen, der Rest der Bevölkerung während des Frühjahrs. Die Einreisebeschränkungen sind strikt. Für viele Länder, darunter Österreich, ist die Einreise nur aus geschäftlichen Zwecken und unter Einhaltung strenger Quarantänevorschriften gestattet. In Finnland gilt übrigens für die Allgemeinheit keine Maskenpflicht. Selbst die Empfehlung der Regierung, in öffentlichen Räumlichkeiten Mund-Nasenschutz zu tragen, kam erst nach heftiger Kritik an der Gesundheitsministerin Mitte August.

Island

27 Tote und 5.448 Infizierte (davon 205 aktiv), oder 79 Tote und 15.922 Fälle pro Million Einwohner. Island war jenes Land, in dem als erstes heimkehrende Ski-Touristen aus Ischgl als mit Covid infiziert registriert wurden und auch jenes, das österreichische Behörden als erstes davon in Kenntnis setzte. Island setzte ebenfalls rasch restriktive Maßnahmen, insbesondere was die Einreise betrifft. Dank seiner Insellage gelang es den isländischen Behörden immer wieder, dass zwischenzeitlich keine neuen Fälle auftraten. Auch die beiden zu Dänemark gehörenden autonomen Nordatlantikstaaten Grönland und die Färöer schaffen es immer wieder als Corona-frei dazustehen. In Grönland ist derzeit kein einziger aktiver Fall bekannt, von den Färöern werden aktuell 3 aktive Fälle gemeldet.

Anders als in den meisten europäischen Ländern spricht man in Bezug auf die aktuelle Situation in Island schon von der "Dritte Welle". Bereits im Sommer hatte es vorübergehend wieder einen merkbaren Anstieg der Fallzahlen gegeben. Auch in der herrschenden Phase gelten in Island wieder zahlreiche Einschränkungen. Unter anderem dürfen sich in Island generell nicht mehr als zehn Personen gleichzeitig treffen, Sport ist weitgehend verboten, Schwimmhallen, Theater und andere Veranstaltungsräume sind geschlossen. Wegen der anhaltenden, vergleichsweise hohen Infektionszahlen verschob die Regierung diese Woche eine zuvor in Aussicht gestellte Lockerung. "Staatsepidemiologe" Thorolfur Gudnason lehnte eine diskutierte Ausgangsbeschränkung am Donnerstag ab, stellte allerdings mögliche gezielte Verschärfungen für die von Infektionen am stärksten betroffene Hauptstadt Reykjavik in den Raum.

(APA)

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