Religionskritik mit dem Vorschlaghammer

Eine skeptische Auseinandersetzung mit dem Islam muss gestattet sein, vor allem mit vorsintflutlichen Koran-Auslegungen. Wahlkampfrufe nach diversen Verboten bringen aber nicht weiter.

Der „Kampf der Kulturen“, 1993 vom US-Politologen Samuel Huntington unter Buhrufen auf den internationalen Debattenspielplan gesetzt, läuft ja schon seit einiger Zeit auch in der Tschauner-Bühnenfassung. Jetzt ging wieder einmal der Vorstadtvorhang hoch. In den Hauptrollen: H.-C. Strache als Haudrauf des Abendlandes und Anas Schakfeh als Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft jenseits von Zeit und Raum. Mitten im Wahlkampf kam der Mann aus Hama mit dem Wunsch daher, in jeder Landeshauptstadt eine Moschee mit Minarett zu errichten. Und schon forderte der FPÖ-Chef eine Volksbefragung über ein Burka- und Minarettverbot.

Beide Verbote wären unsinnig. Den Ganzkörperschleier tragen in Österreich vielleicht ein paar Touristinnen aus Saudiarabien, sonst kaum jemand. Und wie fragwürdig es ist, die Mehrheit über die Rechte einer Minderheit abstimmen zu lassen, sieht man in der Schweiz. Das Minarettverbot, für das sich die Eidgenossen in einer Volksabstimmung ausgesprochen haben, hat aller Voraussicht nach keinen rechtlichen Bestand.

Es bleibt jedoch das Unbehagen mit dem Islam, das viele empfinden. Wer dieses Unbehagen mit dem großen Besen der Political Correctness unter den Teppich kehrt, überlässt das Feld den „schrecklichen Vereinfachern“. Kritik am Islam, vor allem an vorsintflutlichen Auslegungen des Koran, muss gestattet sein. Das ist eine der Errungenschaften der Aufklärung, die man nicht vor lauter Freundlichkeit wie einen alten Hut ablegen sollte.

Die Toleranz muss dort ein Ende haben, wo sie von radikalem Totalitätsdenken herausgefordert wird. Es ist nicht tolerant, Zwangsehen oder die Diskriminierung von Frauen zu dulden, sondern schlichtweg fahrlässig und dumm. Wer jedoch die Grundregeln der westlichen Ordnung akzeptiert, muss ein Recht darauf haben, seine Religion frei auszuüben, auch mit Minarett. Und der darf sich auch erwarten, dass er als gläubiger Muslim nicht regelmäßig pauschal verunglimpft und undifferenziert unter Verdacht gestellt wird. In diesen mittlerweile ritualisierten Diskussionen hört man dann ja auch oft, dass zunächst den Christen in Saudiarabien und anderen islamischen Ländern Religionsfreiheit gewährt werden müsse, bevor man in Europa über neue Moscheen oder Gebetstürme reden könne. Das Argument geht ins Leere. Es wäre widersinnig, eigene Prinzipien wegen des Fehlverhaltens anderer über Bord zu werfen. Ein Unrecht wird nicht geringer, wenn man ein neues hinzufügt.

So wichtig die Auseinandersetzung mit dem Islam für Europa allein aus demografischen Gründen ist, so kontraproduktiv wirken sich polarisierende Debatten aus. Denn je weniger willkommen sich muslimische Migranten fühlen, desto stärker werden sie nach der Religion als ihrem Identitätsanker greifen.

In seinem Essay über den „Kampf der Kulturen“ hat Huntington übrigens einen interessanten Erklärungsansatz mitgeliefert. Abgrenzung werde um so wichtiger, je weniger sicher man sich seiner selbst sei. Vielleicht sollten wir auch darüber nachdenken.



christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2010)

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