Walk of Häme

Wer traut sich, der Grinch zu sein?

Oder: Warum man Weihnacht-Spielverderber bei uns vergeblich sucht.

Aus den vielen bisherigen Auftritten von Politikerinnen und Politikern zur Coronakrise war dies einer, der doch heraussticht. Brian Pallister, Premierminister der kanadischen Provinz Manitoba und ein Baum von einem Mann, wandte sich Ende der Woche mit tränenerstickter Stimme an die Bevölkerung: „Ich bin der Typ, der Weihnachten stiehlt“, meinte er sichtlich bewegt mit einer Anspielung auf den Grinch. Niemand müsse ihn mögen, meinte der kanadische Lokalpolitiker, aber er hoffe, später einmal dafür respektiert zu werden, dass er den Mut gehabt habe, der Bevölkerung das Richtige zu sagen: „Bleibt gesund, beschützt euch gegenseitig, liebt einander, kümmert euch um einander, es gibt so viele Möglichkeiten, das zu zeigen, aber trefft euch nicht zu Weihnachten.“

In Österreich hat sich noch niemand gefunden, der mit Blick auf künftige Wahlen das Risiko auf sich nehmen will, den Grinch zu spielen und das heurige Weihnachten zu stehlen. Eher im Gegenteil. Nicht nur zu Weihnachten soll alles – mindestens einen Heiligen Abend lang und mit bis zu zehn Personen in kuscheligen Wohnzimmern – wieder gut sein, sondern auch schon am 8. Dezember darf das Weihnachtsgeschäft so richtig losgehen. Volley aus dem Lockdown quasi.

Wenn man bedenkt, wie es schon an einem normalen 8. Dezember in Einkaufsstraßen, Shoppingcentern und Fußgängerzonen zugeht, möchte man sich unter Ansteckungsgesichtspunkten nicht ausmalen, was sich übermorgen abspielen wird, wenn nach dem Ausfall von zwei langen Einkaufssamstagen die Geschäfte erstmals wieder offen haben. Könnte gut sein, dass sich vor Weihnachten unter den politisch Verantwortlichen doch noch ein Grinch wird finden müssen.

Ein guter Tag beginne mit einem sanierten Budget, hat Karl-Heinz Grasser einmal als Finanzminister eine Budgetrede begonnen. Mit einer (nicht rechtskräftigen) Verurteilung zu acht Jahren Haft enden eindeutig die schlechteren Tage. Was am Ende von den Vorwürfen rund um den Verkauf von Bundeswohnungen übrig bleiben wird, entscheiden nun die Höchstgerichte. Bei so einer Urteilsverkündung und vor der Presse einen Mund-Nasen-Schutz tragen zu können, der einen Großteil des Gesichts verdeckt, gehört wohl für die Betroffenen zu den so seltenen besseren Seiten von Corona.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2020)

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