Die Kanzlerin wirbt um einen neuen harten Lockdown zum Jahreswechsel – und redet sich dabei in Rage wie nie zuvor in ihrer 15-jährigen Kanzlerschaft.
Berlin. Als Angela Merkel vor fast auf den Tag genau zwei Jahren den CDU-Vorsitz aufgab, tat sie das ohne größeren Gefühlsausbruch. Ihren Abschied vom Parteivorsitz kündigt sie in einer eher spröden Rede an, ja einer klassische Merkel-Rede, wie es hernach hieß. Der sachlich-nüchterne Stil gehört zu Merkels DNA und zu ihrer 15-jährigen Kanzlerschaft. Auch deshalb ist bemerkenswert, was sich am Mittwoch im Bundestag zuträgt.
Merkel ballt die Faust, sie hebt mahnend die Arme oder faltet die Hände bittend zusammen. An einer Stelle klingt ihre Stimme brüchig. Sie hält die emotionalste Rede ihrer Kanzlerschaft, die in einer drastischen Mahnung zu Kontaktreduktionen vor Heiligabend gipfelt: „Wenn das das letzte Weihnachten mit unseren Großeltern ist, dann werden wir es im Nachhinein bereuen, jetzt zu wenig getan zu haben.“ Die Kanzlerin trägt dick auf. Also sehr dick. Zu dick, wie manche finden.
Das Ziel der Rede ist glasklar: Merkel wirbt für einen neuen harten Lockdown auch im Handel ab Weihnachten und dafür, die Schulen spätestens ab 16. Dezember und nicht erst ab 19. Dezember zu schließen. „Was wird man denn im Rückblick auf ein Jahrhundertereignis mal sagen, wenn wir nicht in der Lage waren, für diese drei Tage noch irgendeine Lösung zu finden?“, fragt die Kanzlerin rhetorisch. Die Wissenschaft würde die Politik „geradezu anflehen, vor Weihnachten Kontakte zu reduzieren“. Und Merkel fleht jetzt auch.
