Morgenglosse

Das vorletzte Abendmahl

BRITAIN-EU-POLITICS-BREXIT
BRITAIN-EU-POLITICS-BREXITAPA/AFP/POOL/AARON CHOWN
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Die Brexit-Show wird so lange weitergehen, bis Boris Johnson mutig genug ist, um zu entscheiden, ob er einen Deal mit Europa will - oder es lieber bleiben lässt.

Angesichts des CO2-Fußabdrucks, den Boris Johnsons abendliche Flugreise nach Brüssel hinterlassen hat, hätte man sich doch etwas Substanzielleres gewünscht als einen dürren Fünfzeiler. Drei Stunden dinnierte der britische Regierungschef mit Ursula von der Leyen, um eine Lösung im vertrackten Streit um das künftige Verhältnis Großbritannien-EU zu finden. Die Kommissionspräsidentin ließ Muscheln und Steinbutt auftischen, herausgekommen ist dabei nach ihren Worten eine „belebte und interessante Diskussion“, während der man (zum gefühlt millionsten Mal) zur Einsicht gelangt sei, dass man punkto Brexit nicht zur Einsicht gelangen könne. Und es deswegen am kommenden Sonntag wieder versuchen werde.

Dieses - formulieren wir es vornehm - dem Ernst der Lage nicht vollumfänglich entsprechende Ergebnis dürfte einerseits damit zusammenhängen, dass von der Leyen entgegen den fiebrigen Vorstellungen der Brexit-Befürworter doch nicht die allmächtige Präsidentin Europas ist und keine neuen Zugeständnisse aus dem Hut zaubern kann, sondern sich innerhalb des Rahmens bewegen muss, den ihr die Unionsmitglieder gesteckt haben. Andererseits scheint Johnson die Verhandlungen mit den Europäern weiterhin so anzulegen wie Falco die ersten Takte seines Hits „Emotional“: „...hear me babe/was soll ich dir noch sagen/es ist doch alles schon gesagt“. Dass der Premier Großbritanniens drei Wochen vor der Vertreibung seines Landes aus dem Paradies des EU-Binnenmarkts noch immer nicht imstande ist, sich für oder gegen einen Deal zu entscheiden und anschließend die Konsequenzen seiner Entscheidung zu tragen, ist schlicht und ergreifend eines Staatsmanns nicht würdig.

Johnson inszeniert sich daheim gerne als Erlöser der Briten von dem Bösen der EU. Doch für das letzte Abendmahl in Brüssel fehlt dem Messias von der Downing Street 10 offensichtlich der Mut.

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