Fahrbericht

Honda Civic: Das dritte Rohr am Wagen

Fast unauffällig: In der „Sport Line“-Variante wurde der alte Heckflügel im Jausenbank-Format zurechtgestutzt.
Fast unauffällig: In der „Sport Line“-Variante wurde der alte Heckflügel im Jausenbank-Format zurechtgestutzt.(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Von Hondas grandiosem Civic Type R gibt es jetzt auch eine äußerlich dezentere Variante. Auch wenn Dezenz nach wie vor nicht zu seinen großen Stärken zählt.

Wien. Auch im Jahr 2020 (und wohl noch eine gewisse Zeit lang) gibt es Autos, die aus der Erde gepumpten Kraftstoff verbrennen, und zwar nicht allein zum Fortkommen von A nach B, was manchen schon verwerflich genug erscheint, sondern auch noch für den Umweg nach C, wo man eigentlich nichts verloren hat, außer dass man auf dem Weg dorthin Genuss, Freude und Aufregung empfindet, weil sich die Straße gar so interessant windet.

Die Rede ist nicht von C-Autos, wie, sagen wir, einem Ferrari, weil im Alltag unpraktisch, zumindest zu schade dafür, sondern solchen, die eben auch A und B gut können, vielleicht sogar D, den Ausflug auf die Rennstrecke. Die Engländer nennen das – schwer bis gar nicht sinnvoll übersetzbar – Hot Hatch: werksseitig frisierte Kompakte (also mit Heckklappe, engl. „hatch“), die bei ungeschmälertem Angebot an Sitzplätzen und Kofferraum und zumindest einigem Restkomfort auch das sportliche Fach beherrschen. Mit ihren Möglichkeiten oder Anlagen halt, sprich etwa Frontantrieb, um Kosten, Komplexität und Gewicht zu begrenzen, und Handschaltung aus den gleichen Gründen.

Uff, lange Einleitung, um endlich zum Auto zu kommen, das wir für den König dieser Disziplin halten: Hondas Civic Type R.

(c) Die Presse/Clemens Fabry

Hochgeschaukelt

Die Ingenieure der Marke nehmen die Angelegenheit todernst, von einer bloßen Marketingidee zur Imagepflege ist der Type R weitestmöglich entfernt. In den 23 Jahren, die er auf dem Markt ist, hat er sich schnell Kultstatus erarbeitet. Dass die aktuelle, fünfte R-Generation bei 320 PS hält (1997 waren's 185), liegt am Konkurrenzumfeld, das sich im Lauf der Zeit auf das Niveau hochgeschaukelt hat. Die wichtigere Frage ist ohnehin, wie man so viel Leistung an die Vorderachse gibt, ohne sie heillos zu überfordern. Eine kurze Antwort gibt es nicht; neben einer entsprechend aufwendigen Konstruktion mit Doppelachsen-Aufhängung braucht es das gesamte Fahrzeug-Package, um die erwünschten Ergebnisse zu erzielen – und unerwünschte zu eliminieren, zuvorderst Torque Steer, das Reißen am Lenkrad beim Beschleunigen.

Im Type R ist es auf nahezu null reduziert (wobei immer auch der Mensch am Steuer gefragt ist, seine Fahrtechnik dem Frontantrieb anzupassen). Wie viel Traktion der Type R aufbauen kann, gern auch auf feuchter, nasser, eiskalter Fahrbahn, ist einer der Trümpfe, der diesem Kraftwerk von Motor zuspielt. Erwachten die Sauger der früheren Generationen erst bei schwindelerregenden Drehzahlen zum Leben, was im Alltag fad wirkte, so stampft der heutige Zweiliter-Turbo in jeder Lage brachial drauflos, um dennoch freudig und wohltönend wie ein scharfer Saugmotor bei 7000 Touren ins Rote zu drehen. (Drei Endrohre? Das mittlere reguliert Schwingungen für Akustik-Komfort.) Erst recht ein Glücksfall das manuelle Schaltgetriebe, nicht nur wegen der schön kurzen Übersetzung mit perfekten Anschlüssen, sondern auch wegen der darunterliegenden Mechanik, die man über den neuen Schaltknauf förmlich im Händchen spürt. Das automatisierte Zwischengas zur Drehzahlanpassung beim Herunterschalten ließen wir uns gern gefallen; je richtiger man schaltet, desto hilfreicher findet die Funktion ins Spiel.

(c) Die Presse/Clemens Fabry

So kommt im Getümmel des Winkelwerks keine Hektik auf, das passiert nur in Autos, denen die Balance fehlt. Der Type R hält die Räder fest am Boden, lässt sich dank hoher Karosseriesteifigkeit kontrollierbar im Rutsch in der Kurve platzieren; fabelhaft, wie gut das Auto knappen Lenkkommandos folgt und wie makellos die Bremsanlage arbeitet. Dass dieses Ready-to-Race-Talent (der neue Komfort-Modus hält übrigens auch sein Versprechen für A-zu-B-Belange) zudem bezahlbar ist, macht den Type R endgültig zum Phänomen. Mal sehen, wie lang es so etwas noch geben darf.

Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Honda Civic Type R

Maße L/B/H 4557/1877/1434 mm. Radstand 2699 mm. Leergewicht 1395 kg. Kofferraum 420 bis 1209 Liter.
Motor R4-Zylinder-Otto-Turbo, 1996 ccm. Max. 235 kW (320 PS) bei 6500/Min. Max. 400 Nm bei 2500–4500/Min. 0–100 in 5,8 Sek. Vmax 270 km/h. Frontantrieb, sechs Gänge manuell. Testverbrauch 9,4 l/100 km.
Preis ab 47.990 Euro („Sport Line“).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2020)

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