Abschluss

Das lange Finale im Parlament

Kurz vor der Babypause bringt die Grüne Justizministerin Alma Zadić ihr Prestigeprojekt noch in trockene Tücher.
Kurz vor der Babypause bringt die Grüne Justizministerin Alma Zadić ihr Prestigeprojekt noch in trockene Tücher. (c) APA/ROLAND SCHLAGER
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In den letzten zwei Sitzungen im Nationalrat werden bis zu 50 Gesetze beschlossen. Davor gab es aber noch Gesprächsbedarf.

Wien. Man hätte viel hineininterpretieren können: Dass den Abgeordneten langsam die Energie ausgegangen ist – immerhin war 2020 auch für das Parlament ein forderndes Jahr. Dass sie sich ihre Kraft aufsparen wollten – ihnen standen ja Donnerstag und Freitag zwei lange Tage im Hohen Haus bevor. Oder aber, dass sie sich für das Finale noch einen Schulterschluss vorgenommen hatten: Bei den letzten Sitzungen im Nationalrat sollten 112 Tagesordnungspunkte und 50 Gesetze beschlossen werden. Für heute, Freitag, wurde die erlaubte Redezeit sogar verlängert. Als die Sitzung also Donnerstagfrüh begann, tat sie es jedenfalls auf eine ungewöhnliche Art und Weise: ruhig und sachlich.
Zumindest bis kurz nach 15 Uhr, als der freiheitliche Generalsekretär, Michael Schnedlitz, vom Rednerpult aus rief: „Wir haben einen positiven Coronatest im Parlament!“ Er hatte zuvor den Stab eines Schnelltests nicht in die Nase, sondern in ein Cola-Glas gesteckt. Sein Experiment sah Schnedlitz als Beweis, dass die Massentests Steuergeldverschwendung seien. Die Regierung habe Österreich während der Coronakrise in eine „Diktatur light“ verwandelt.

„Ich verstehe echt nicht, was du da machst“, sagte sein Amtskollege von der ÖVP, Axel Melchior, später. „Ich habe gehofft, dass es Bacardi Cola ist, das hätte dein Verhalten zumindest gerechtfertigt.“
Zuvor war es weitaus ernster zugegangen: Die Neos hatten zu einer „aktuellen Stunde“ zum Thema Jugend und Corona geladen. „Wir mahnen eine Balance ein: Gesundheit, Gesellschaft, Bildung und Wirtschaft“, sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Die Krise treffe besonders „junge Menschen, die zu Bildungsverlierern gehören und im Home-Schooling nicht erreicht werden konnten“. Man erwarte sich einen Plan und eine Strategie.

„Unterschreibe das sofort“

Da wurde Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der die Koalition auf der Regierungsbank vertrat, gleich versöhnlich: „Ich unterschreibe das sofort, dass die junge Generation leidet.“ Die Neos hätten auch viele gute Vorschläge gemacht, zuletzt die Lerncafés in Wien. Aber solche Schwierigkeiten gebe es in vielen anderen Ländern. „Sie wissen auch ganz genau, dass ich persönlich der Meinung bin, dass man die Schulen so lang wie möglich offen halten soll.“ Selbst geringe Infektionszahlen in Schulen seien aber ein Problem. Man habe also aktiv werden müssen. In Zukunft sollen aber Lehrpersonen regelmäßig getestet werden.
Das ist für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nicht genug. Sie schlägt erneut eine Änderung der Teststrategie vor. Die Bürger sollen mit Testkits regelmäßig zu Hause selbst ihren Status überprüfen können.
Übrigens: Die Abgeordneten können sich im Parlament testen lassen. Noch bevor sie zum Rednerpult gehen.

Pensionen

Ab 1. Jänner bekommen die meisten Pensionisten mehr Geld. Kleine Pensionen werden stärker angehoben, Pensionen ab 2333 Euro sollen einen zusätzlichen Fixbetrag von 35 Euro pro Monat bekommen. Das soll nun auch die Sonderpensionen betreffen, die etwa Nationalbankmitarbeiter und Kammerfunktionäre beziehen. Damit auch deren Bezüge gedeckelt werden können, brauchen die Regierungsparteien aber eine Verfassungsmehrheit. Ein entsprechender Antrag wird am Freitag eingebracht. Die Klubobleute von Schwarz und Grün gingen davon aus, dass die SPÖ diese Mehrheit beschaffen wird. Die Gespräche mit der Opposition sollten laufen – es beträfe rund 30.000 Sonderpensionsbezieher.

Mit einer weiteren Änderung in den Pensionsgesetzen wird außerdem sichergestellt, dass ehemaligen Angehörigen von Gesundheitsberufen weiterhin keine Pensionsleistungen gestrichen werden, wenn sie zum Zweck der Pandemiebekämpfung vorübergehend wieder ins Berufsleben zurückkehren.

Hass im Netz

Kurz vor der Babypause bringt die Grüne Justizministerin Alma Zadić ihr Prestigeprojekt noch in trockene Tücher. Der Beschlussreigen der letzten Plenarwoche begann mit dem Paket gegen Hass im Netz. Gegen Hasspostings kann künftig leichter vorgegangen werden. Der Straftatbestand der Verhetzung wird verschärft und gilt künftig auch für Einzelpersonen. Derzeit sind nur Gruppen (z. B. Religionen) von dem Straftatbestand umfasst. Cybermobbing ist künftig schon ab dem ersten Posting strafbar. Neu geschaffen wird eine Strafbestimmung gegen „unbefugte Bildaufnahmen des Intimbereichs“ – das sogenannte Upskirting.

Die Betreiber von Kommunikationsplattformen werden stärker in die Pflicht genommen – rechtswidriges Verhalten muss gelöscht werden. Ausgenommen sind Handelsplattformen wie willhaben.at, Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Bildungsangebote, Medienunternehmen und Videoplattformen wie YouTube.

Sowohl die Regierungsparteien wie SPÖ und Neos sahen in dem Paket ein wirkungsvolles, niederschwelliges Instrument. Die FPÖ hingegen ortete eine „politische Schlagseite“ bei der Definition des Hassbegriffs, die zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führen könnte.

Gewaltprävention

Einstimmig passierte dafür das Gewaltschutzpaket den Innenausschuss. Ab 2021 soll eine verpflichtende Beratung für weggewiesene Gewalttäter kommen. Der Gefährder hat sich gemäß der Vorlage binnen fünf Tagen nach der Anordnung eines derartigen Verbots mit einer Beratungsstelle in Verbindung zu setzen. Die Kosten dafür übernimmt der Staat.

Gratismasken

Das türkis-grüne Christkind bringt dieses Jahr allen über 65 Jahren Geschenke. Je zehn FFP2-Masken sollen bis Weihnachten verschickt werden. Der Budgetrahmen liegt bei bis zu 24 Millionen Euro – 18 Millionen Masken werden benötigt. Kosten pro Stück: 0,29 Euro. Dazu kommen die Kosten für den Versand und die Abwicklung. Letzteres wird das Handelsunternehmen KSR übernehmen.

Warum die Maßnahmen allen über 65 unabhängig von ihrem Einkommen zugute kommt, argumentiert das Gesundheitsministerium so: „Die Zuteilung der FFP2-Masken an die Bevölkerungsgruppe 65 plus erfolgt aus gesundheitspolitischen Kriterien, um eine große und besonders vulnerable Bevölkerungsgruppe zu schützen. Diese Altersgruppe weist identifizierte Risikofaktoren für schwere Krankheitsverläufe auf.“ Manche Studien würden das Alter sogar als den stärksten unabhängigen Risikofaktor ansehen. Ziel der Maßnahme sei, dass sich diese Risikogruppe bis zur voraussichtlichen Verfügbarkeit einer Covid-19-Impfung adäquat schützen kann.

Geldwäsche

Österreich war bisher ein Geldwäsche-Dorado für kriminelle und mafiöse Gruppen. Nun sollte die Umsetzung der fünften Geldwäsche-Richtlinie der EU beschlossen werden. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit nötig – die dann von der SPÖ doch überraschend nicht gewährt wurde. Heute wird weiterverhandelt. Konkret geht es um die Erweiterung der Einsicht in Kontenregister in Fällen der Geldwäscheprävention, Verfolgung von Straftaten und sanktionsrechtlichen Zwecken. Das Kontenregister ist eine Datenbank, über die abrufbar ist, wer wo welche Konten hat. Die Kontostände und Bewegungen sind nicht einsehbar. Künftig soll auch künstliche Intelligenz zur Verfolgung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung für Kreditinstitute eingeführt werden.

Hygieneprodukte

Die Maßnahme war weniger überraschend, der Zeitpunkt für die Einführung schon: Offenbar entschieden die Regierungsparteien recht kurzfristig, die Senkung der Umsatzsteuer auf Hygieneprodukte für Frauen am Donnerstag auf die Tagesordnung zu setzen. Ab Jänner 2021 soll der Steuersatz auf zehn Prozent gesenkt werden. Derzeit gilt der übliche Satz von 20 Prozent (und kein ermäßigter bzw. speziell ermäßigter). Die Neuerung gilt unter anderem für Binden, Tampons, Menstruationstassen oder Periodenhosen.

Die Steuersenkung findet sich (auf Initiative der Grünen) im Koalitionsprogramm. „Es ist ungerecht, dass Produkte, auf die Frauen zwingend angewiesen sind, mit 20 Prozent versteuert werden“, sagte Klubchefin Sigrid Maurer (Grüne) dazu. Auch Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) begrüßte die Maßnahme: „Damenhygiene darf kein Luxus sein.“ Die Steuersenkung dürfe allerdings nicht dazu führen, dass Produkte teurer werden, mahnte sie. In Deutschland erhöhten manche Hersteller nach einer Steuersenkung die Preise.

Jugend

Im Büro der zuständigen Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) betont man, dass es keinen aktuellen Anlass und keine konkrete Absicht gibt. Aber man möchte grundsätzlich auf Nummer sicher gehen: Daher werden sämtliche Sonderregelungen für den außerordentlichen Zivildienst im Zusammenhang mit der Coronakrise verlängert – bis August 2021.

Und auch die neue Oberstufe an den Schulen wird geändert. Die neuen Regelungen zum Aufsteigen in der umbenannten „Semestrierten Oberstufe“ sehen vor, dass ein Schüler mit einem Nicht genügend oder einer Nichtbeurteilung im Semesterzeugnis in einem Fach, das auch in einer höheren Schulstufe lehrplanmäßig vorgesehen ist, jedenfalls aufsteigen darf. Bisher galt das auch bei zwei Fünfern. Auf Beschluss der Klassenkonferenz ist einmalig bei zwei (statt bisher drei) Nicht genügend der Aufstieg in die nächste Klasse möglich. Allerdings gilt all das nur, wenn der Schüler in dem Pflichtgegenstand nicht schon im Jahr davor einen Fünfer bekommen hat.

Sonstiges

Schwangere, die bei der Arbeit physischen Kontakt mit anderen Personen haben, sind künftig unter bestimmten Voraussetzungen ab Beginn der 14. Schwangerschaftswoche bei voller Lohnfortzahlung freizustellen. Der Arbeitgeber erhält im Gegenzug die Lohnkosten von der Krankenversicherung ersetzt. Eine (umstrittene) Neuregelung gibt es auch für Taxis: Bei telefonischen oder Online-Bestellungen kann künftig ein Fixpreis ausgemacht werden, der nicht überschritten werden darf. Und: Die Parlamentarische Bundesheerkommission hat zwei neue Vorsitzende: Friedrich Ofenauer (ÖVP) und Robert Laimer (SPÖ).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2020)

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