Frederik W. Taylor hatte Recht, Peter F. Drucker sowieso und Andrew Grove auch. Aber immer nur für ihre Epoche. Die jetzige ist mehr als nur kompliziert.
Zu seiner Zeit hatte Frederik W. Taylor recht. Vor gut 100 Jahren zerlegte er in den Fabriken jede Aufgabe in Einzelschritte, optimierte sie und setzte sie wieder zusammen: Das Fließband war geboren. Mitdenken war unerwünscht, das durften nur Manager. Am Anfang funktionierte das tatsächlich, doch dann weigerten sich die Arbeiter zunehmend, den ganzen Tag dieselben stumpfsinnigen Handgriffe auszuführen.
Der nächste Stern am Managementhimmel war der gebürtige Österreicher Peter F. Drucker. Menschen sollen nicht bloß ausführen, was andere vorgeben, postulierte er in den 1950ern. Sie brauchen eine Karotte vor der Nase, die sie anspornt: Erreichst du dein Ziel, bekommst du mehr Geld. Dass Menschen nicht nur für Geld arbeiten, kam ihm nicht in den Sinn.
Das Management brach also die Ziele der Organisation in Einzelziele herunter, jeder Mitarbeiter bekam sein Packerl, schön messbar über Kennzahlen wie Umsatz und Gewinn. So entstand „Management by Objectives“ (MbO).
Komplex heißt überraschend
Was lief schief, dass MbO heute so verpönt ist? Die Antwort ist einfach: Die Welt veränderte sich. Sie ist heute nicht bloß kompliziert, sondern komplex. Kompliziert, das hieß überraschungsfrei. Zu Taylors und Druckers Zeiten gab es nicht viele Überraschungen: Die Mitbewerber waren bekannt, die Produkte ähnelten einander. Das Internet war noch nicht erfunden, von Globalisierung keine Rede.
Um 1990 kam der große Gamechanger, das Internet. Digitale Geschäftsmodelle wie das von Amazon, Uber oder Airbnb rissen altehrwürdige Branchen zu Boden. Überraschungen lauerten an jeder Ecke. Wie sollte man da Pläne, Strategien, Zielvorgaben machen?
Ab jetzt agil
2001 hatte eine Gruppe Softwareentwickler genug vom starren MbO. Sie schrieb das „Agile Manifest“, jene Prinzipien, nach denen sie künftig schnell und flexibel arbeiten wollten. Als „agile Arbeitsweise“ erreichte das bald alle Unternehmensbereiche.
Revolutionär war, dass erstmals eine Veränderung von unten nach oben angestoßen wurde. Weil die Ergebnisse stimmen, spielten die Geschäftsleitungen mit. Gefährlich war jedoch, dass oben und unten auseinanderdriften konnten. Die Lösung: Man tüftelte Unternehmensleitbilder aus, die alle einen sollten: Werte (wie wir sind), Purpose (warum es uns gibt), Vision (wofür wir stehen) und Mission (was wir gemeinsam erreichen wollen). Dreh- und Angelpunkt ist jetzt, den Kunden glücklich machen zu wollen.
Ziele selbst stecken
Dafür grub man ein weitsichtiges Konzept des früheren Intel-CEO Andrew Grove aus, das der schon in den 1970ern verfasst hatte. Es heißt „Objectives & Key Results“ (OKR) und passt ausnehmend gut zum agilen Kontext. Jahresziele sind viel zu starr, fand Grove, und verkürzte auf drei Monate. Seine Ziele (Objectives) sind keine trockenen Kennzahlen, sondern qualitative Beschreibungen dessen, was die Teams (nie ein Einzelner) erreichen sollen. Gemessen werden sie in Schlüsselergebnissen (Key Results), die eben keine Kennzahlen sind. Sondern messbare, erwünschte Verhaltensänderungen des Kunden.
Klingt kompliziert, ist es nicht: Lautet das Objective etwa, ein Produkt erfolgreich einzuführen, heißen drei Key Results für das Marketingteam, die es sich selbst (!) für drei Monate steckt: „Wir erstellen eine Product-Landing-Page, haben 10.000 Besucher dort und 1000 Newsletter-Anmeldungen.“
Auch von endlosen Meetings hatte man genug. Deshalb besteht ein OKR-Zyklus aus nur vier Ereignissen: Planung, kurze Abstimmungen (Weeklys oder Dailys), Review und Retrospektive – und schon startete der nächste Zyklus.
Genau da stehen wir jetzt. Aus heutiger Sicht sind OKR sinnvoll. Irgendwann werden sie das nicht mehr sein – dann kommt garantiert der nächste große Wurf in Sachen Management.
Buchtipp
Patrick Lobacher und Christian Jakob:
"OKR: Objectives & Key Results"
Eigenverlag die.agilen
("Die Presse", Printausgabe vom 12. Dezember 2020)