Der ökonomische Blick

Teure Coronahilfen: Kann der Staat sich das leisten?

Viele Unternehmen waren aufgrund des Lockdowns auf Unterstützung angewiesen.
Viele Unternehmen waren aufgrund des Lockdowns auf Unterstützung angewiesen. APA/HELMUT FOHRINGER
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In der Coronakrise greift der österreichische Staat tief in die Tasche. Doch er wird auch immer Wege finden, die Hilfen zu finanzieren.

Kurzarbeit, Steuerstundungen, Verlustrücktrag, Fixkostenzuschuss, Lockdown-Umsatzersatz. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Hilfsinstrumenten, mit denen der Staat versucht, den heimischen Unternehmen ein Überleben der Coronakrise zu ermöglichen. Der Steuerzahler greift dafür tief in die Tasche: Über 50 Milliarden Euro sind bereits für Coronahilfen budgetiert. Und selbst dieser Betrag wird noch erhöht werden müssen, falls sich die Krise noch über viele Monate hinziehen sollte und weitere „harte Lockdowns“ im Frühjahr notwendig werden.

Leistbarkeit der Coronahilfen

„Kann der Staat sich das überhaupt leisten?“ fragen sich viele Menschen angesichts der Summen, die in Wirtschaftshilfen fließen. „Was passiert, wenn ihm das Geld ausgeht und notwendige Hilfen nicht mehr finanziert werden können? Droht dann der Kollaps unseres Wirtschaftssystems samt Massenarbeitslosigkeit?“

Die gute Nachricht vorweg: Diese Sorge ist unbegründet. Der österreichische Staat kann sich seine Coronahilfen leisten und wird auch immer Wege finden, diese zu finanzieren. Warum das der Fall ist, zeigt ein Blick auf die Höhe und Herkunft der Gelder, die zur Rettung der Wirtschaft ausgegeben werden.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Finanzierung der Coronahilfen

Bis Mitte November hat der Bund laut Finanzministerium knapp 15 Milliarden Euro an budgetwirksamen Coronahilfen in Form von Steuererleichterungen, Kurzarbeitsgeld und Ausgaben des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds geleistet. Finanziert wurden diese Hilfen mittels Neuverschuldung, also der Ausgabe neuer Staatsanleihen. Von März bis November hat sich Österreich 35 Milliarden Euro frisch ausgeliehen, gut 20 Milliarden mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, wie der Emissionskalender der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur ausweist. Die Geldgeber sind überwiegend internationale Banken. Diese erwerben die frischen österreichischen Staatsanleihen meist jedoch nicht für sich selbst, sondern verkaufen sie direkt an andere Investoren weiter. Ein spezieller Investor sticht in den letzten Monaten dabei deutlich hervor: die Europäische Zentralbank.

Rolle der EZB

Die EZB hat im Rahmen ihrer Krisenprogramme PEPP und PSPP seit Beginn der Krise österreichische Anleihen im Wert von 24 Milliarden Euro angekauft. Sie hat so dem heimischen Finanzminister indirekt, d.h. über den Umweg des Bankensystems, das für die Coronahilfen nötige Geld geliehen. Es ist also auch frisches Geld, das frische Staatsschulden hauptsächlich finanziert, und zwar nicht nur in Österreich sondern der gesamten Eurozone. Und diese Geldquelle der Finanzminister wird so schnell nicht versiegen. Die EZB ist uneingeschränkt in der Lage, neues Geld im Tausch gegen Staatsanleihen in Umlauf zu bringen, und solange sich die Wirtschaft der Eurozone nicht spürbar erholt hat, wird sie dies auch tun. Wir müssen uns also nicht sorgen, dass österreichische Staatsanleihen in naher Zukunft keine Abnehmer mehr finden werden.

Preisstabilität

Der Grund für das beherzte Einschreiten der EZB ist jedoch nicht, den Mitgliedsstaaten der Eurozone die jeweiligen Coronaausgaben zu finanzieren. Ihr geht es um die Wahrung der Preisstabilität. Ohne Ausweitung der Geldmenge würde sich die Eurozone aufgrund der anhaltenden Wirtschaftskrise derzeit in einer Deflationsphase befinden, d.h. das Preisniveau würde spürbar sinken. Dadurch würde auch die wirtschaftliche Erholung deutlich gebremst werden. Fallende Preise und Einkommen sind nicht nur eine zusätzliche Bürde für jene, die Kredite zurückzahlen müssen - egal ob Firma, Haushalt oder Staat - sondern wirken sich auch negativ auf die aggregierte Nachfrage aus. Wenn Menschen davon ausgehen, in naher Zukunft günstiger einkaufen zu können, verschieben sie viele Konsum- und Investitionsausgaben in die Zukunft. Für die Volkswirtschaft ist dies ein Bremsklotz. Daher setzt die EZB konsequent alle Mittel ein, die ihr zur Verfügung stehen, um Deflation zu verhindern, inklusive Kauf von Staatsanleihen.

Kein Freibrief für Finanzminister

Für die Finanzminister der Eurozone ist dies jedoch kein Freibrief. Die EZB wird ihr Ankaufprogramm zurückfahren, sobald sich die Wirtschaft erholt hat. Sie wird auch nicht davor zurückschrecken, bei drohender Inflation kräftig auf die Bremse zu treten. Derzeit spricht zwar wenig dafür, dass dies schon bald der Fall sein wird, mittelfristig wird die Refinanzierung der Staatsschulden aber sicherlich wieder teurer werden. Auch in der aktuellen Krise ist es daher geboten, Wirtschaftshilfen sorgsam und treffsicher einzusetzen, um die finanzielle Belastung zukünftiger Steuerzahlergenerationen möglichst gering zu halten. Den heimischen Betrieben ihren Schaden weitgehend zu ersetzen ist aus volkswirtschaftlicher Sicht sinnvoll und vertretbar, eine Überkompensation des Schadens, wie sie etwa beim Lockdown-Umsatzersatz regelmäßig vorkommt, jedoch nicht. Dass sich der österreichische Staat auch wenig treffsichere Coronahilfen leisten kann, bedeutet nicht, dass er sich diese auch leisten soll. Denn eines ist leider sicher: die nächste teure Krise kommt bestimmt!

Der Autor

Paul Pichler ist assoziierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit dem Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik sowie ökonomischen Aspekten wachsender Staatsverschuldung. Von 2010 bis 2018 war Pichler in der Abteilung für Volkswirtschaftliche Studien der Oesterreichischen Nationalbank tätig.

Paul Pichler
Paul Pichler

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