Naturgefahren

Aus Schaden wird man nicht immer klug

Heimische Forscher fanden heraus, dass Häuslbauer nach Wildbach-Schäden ihre Gebäude nicht besser gegen zukünftige Ereignisse schützen.
Heimische Forscher fanden heraus, dass Häuslbauer nach Wildbach-Schäden ihre Gebäude nicht besser gegen zukünftige Ereignisse schützen.(c) imago/CHROMORANGE (imago stock&people)
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Heimische Forscher fanden heraus, dass Häuslbauer nach Wildbach-Schäden ihre Gebäude nicht besser gegen zukünftige Ereignisse schützen. Es fehlt an Versicherungen und Zuschüssen für einen nachhaltigen Schutz gegen Naturgefahren in den Berggebieten.

Wir kümmern uns seit 15 Jahren um Schäden, die im östlichen Alpenraum, vor allem Tirol und Südtirol, durch Wildbach-Prozesse entstehen“, sagt Sven Fuchs vom Institut für Alpine Naturgefahren der Boku Wien. Bei der Dokumentation der Gefahrenseite erkannte sein Team mit Maria Papathoma-Köhle, dass der Wiederaufbau von Gebäuden oft nicht nachhaltig abläuft: Bei wiederholten Ereignissen treten immer wieder die gleichen Schäden auf. „Wir wissen nun, wie die Gefahren durch Wildbäche entstehen, welche Ursachen in den Einzugsgebieten vorliegen – Stichwort Bodennutzung und Starkniederschläge – und dass die Schäden zunehmen“, sagt Fuchs, dessen Familie in Tirol auch Überlegungen anstellt, ein Wohnhaus besser an Naturgefahren anzupassen.

„Bei den großen Flüssen ist es selbstverständlich, dass man Gebäude in der Gefahrenzone adaptiert baut. Doch in Berggebieten bei Wildbächen ist das noch nicht der Fall“, so Fuchs. Stelzenbauten oder andere Adaptationen sind in den baulichen Vorschriften und bei der Ortsbildgestaltung kaum vorgesehen. „Wir haben vor allem die Schäden erforscht, die bei Wohngebäuden, Gastgewerbe und Hotellerie auftreten: Was sind die Ursachen der Gebäudeschäden? Mit der Uni Innsbruck haben wir dazu auch für Laborversuche ein ganzes Dorf im Maßstab 1:30 nachgebaut, um Anpralldrücke zu messen und sichtbar zu machen, was passiert, wenn man neue Häuser dorthin stellt – ob dann das Hochwasser auf zuvor nicht gefährdete Gebäude umgelenkt wird“, erzählt Fuchs über die vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekte.

Der Anprall trifft Fenster und Türen

Die Auswertung der technischen und strukturellen Schäden zeigte wie erwartet, dass je nach Bauweise, Architektur und Baumaterial der Druck von Wasser und Schlamm die Gebäudehülle beschädigt und der Anprall vor allem schwächere Gebäudeteile wie Öffnungen, Fenster und Türen schwer trifft.

Etwas überraschte die Wissenschaftler aber: Sie fanden kaum Gebäude, die nach einem Schaden sicherer aufgebaut wurden als vorher. „Wir haben über 500 einzelne Schäden aus circa zehn Ereignissen dokumentiert“, sagt Fuchs. Beginnend mit dem Hochwasser im Paznaun 2005, wo die Zuflüsse der Trisanna über die Ufer schossen, über sogenannte Jahrhundertereignisse 2013 und 2015 in Tirol bis zu dem im Trentino im Oktober 2018. „Von Letzterem kommt man noch schwer an die Daten, da hier die Gerichte noch Schuldfragen klären“, sagt Fuchs.

Das Ergebnis, dass kaum jemand sein Wohngebäude nach der Katastrophe so gestaltet, dass es beim nächsten Ereignis nicht wieder so großen Schaden nimmt, beschäftigte die Forscher weiter. „Ein Hauptproblem ist, dass Wohngebäude nicht gut versicherbar sind gegen solche Schäden: In Ihrer Haushaltsversicherung ist das nur mit ein paar Tausend Euro gedeckt, was beim Wiederaufbau kaum hilft“, weiß Fuchs. Gewerbe- und Industriebauten können sich hingegen gut gegen Naturgefahren versichern. Die betroffenen Privathaushalte aber sind auf Zuschüsse der Länder und aus dem Katastrophenfonds sowie auf Spenden angewiesen. „Es ist ein systematisches Versagen, dass es keine Zuschüsse zu Investitionen gibt, die zukünftige Schäden verhindern. Die Schweiz wäre mit ihrer obligatorischen Gebäudeversicherung sicher ein Vorbild“, betont Fuchs.

Das Team der Boku und Uni Innsbruck hat ein Bündel an lokalen Objektschutz-Maßnahmen erstellt, die Bürgern und Gemeinden helfen können. „Das Einfachste sind Dammbalkensysteme, die man vom Hochwasser her kennt. Wenn ein Ereignis droht, setzt man die Balken in vorgefertigte Schienen an den Gebäudeöffnungen ein, um den Anprall abzuschwächen.“ Auch eine Beton-Umfriedung statt hölzerner Jägerzäune, vor allem hangwärts, bringt viel, um Gebäude zu schützen. „Dammkonstruktionen und ableitende Systeme wie Spaltkeile sind ebenso sinnvoll wie das Verzichten auf einen Keller oder Häuser auf Stelzen.“ Doch oft scheitern Umbaupläne an so simplen Vorschriften wie jener, dass eine Schutzmaßnahme am eigenen Objekt das Nachbargrundstück nicht schlechter stellen darf.

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