Kolumne zum Tag

Streiten wir bitte, ob Gluten auf u oder auf e betont wird

(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Ob Kekse glutenfrei sind oder nicht, ist eine Sache, aber über die Aussprache lässt sich diskutieren.

Gluten Tag! Wenn Ihnen das erste Wort dieser Kolumne komisch vorkommt, liegen Sie richtig. Erstens, weil es hier nicht hingehört. Zweitens, weil es, wenn man es tatsächlich so ausspricht wie „guten“, also mit langem u und kurzem oder sogar verschlucktem e, nicht richtig ist. Zumindest dann, wenn man dem „Duden“ glaubt. Der sieht nämlich die Betonung auf dem e – und das klingt auch logisch. Denn bei Gluten handelt es sich um einen klebrigen Eiweißstoff, der in diversen Getreidearten vorkommt. Und seien wir uns ehrlich, schon allein vom Sprachgefühl her müssen wir dabei an etwas Zähes denken. Aber auch beim Blick auf die Betonung chemischer Endungen hat sich die Betonung auf die Endsilbe eingebürgert – Sie wissen schon, Ethan, Ethanol und dergleichen. Und nicht zuletzt klingt Gluten mit Betonung auf dem u ja wie ein Pluralwort – und vor dem geistigen Auge springen lauter kleine Kügelchen herum und singen fröhlich „Wir sind die Gluten!“

Der Fall ist also klar. Es heißt Gluten mit langem e. Wer sich jetzt aber zurücklehnt und meint, die glutenfreie Weisheit mit dem Löffel zu sich genommen zu haben, sollte kurz innehalten. Denn folgt man der Originalbetonung des Begriffs, der vom lateinischen Wort für Leim bzw. Klebstoff kommt, landet man bei einem langen u. Sprachhistorisch wäre es also korrekt, Gluten auch auf Deutsch so auszusprechen, dass es sich auf sputen reimt – und nicht auf zehn. Der Duden lässt diese Hintertür sogar offen, weil er zumindest in der Lautschrift auch die Variante mit langem u anführt. Und das „Österreichische Wörterbuch“ setzt bei der Aussprache gar ein Makron, also einen Unterstrich unter dem u – das Zeichen für die lange Aussprache dieses Vokals.

Es darf Ihnen bei Gluten zwar das Herz bluten, aber wirklich falsch ist es eigentlich nicht. Unbefriedigend, oder? Aber ein schönes Thema für einen Streit allemal.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2020)

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