"Presse"-Ranking

Die besten Serien des Jahres 2020

Schach und Drogen, Prinzessinnen und ein geheimnisvolles Virus, unglückliche Liebe, Mutterschaft und Michael Jordan: Diese 13 Serien haben uns heuer begeistert.

„The Queen’s Gambit“

Der Überraschungshit in einem trüben Jahr ist trotz viel Dramatik auch eine Feelgood-Serie. Sie handelt von Beth Harmon, die nach dem Suizid ihrer Mutter im Waisenhaus lebt. Dort lernt sie vom Hausmeister das Schachspiel, entwickelt aber auch einen Hang zu Pillen. Als eine unglückliche Hausfrau mit Hand zum Alkohol (wunderbar: Marielle Heller) Beth adoptiert,  kann sie ihr Schach-Talent endlich ausleben, hat aber auch Zugang zu Pillen, Bier und Schnaps. „Das Damengabit“ (benannt nach einer Schach-Eröffnung) unterläuft dabei die Erwartungshaltung: Nicht jeder, der gemein schaut, hat automatisch Böses im Schilde. Die Serie ist klug recherchiert (Garri Kasparow wählte die Partien aus) und Anya Taylor-Joy liefert als Hauptfigur eine absolut sehenswerte Leistung ab: Sie ist zielstrebig und cool, aber nicht kalt. Kein Wunder, das Schach derzeit boomt. (her)

„The Queen’s Gambit“ (Das Damengambit), sieben Folge zu je ca. 50 Minuten, Netflix

I May Destroy You - S1
I May Destroy You - S1(c) HBO/sky

„I May Destroy You“

Auch diese Nacht war für Arabella (Michaela Coel) wieder ein einziger Rausch: Koks, Alkohol, Musik, Menschen, noch mehr Musik, noch mehr Musik, noch mehr Alkohol, noch mehr Menschen. Jetzt ist sie zuhause, im Schlepptau ein überraschend schüchterner Italiener. „Darf ich?“, fragt er, als sie den Weg ins Bett geschafft haben – und zieht dann einen Tampon aus ihrem Körper.

Es gibt wenige filmische Arbeiten, die so unverkrampft und bis ins Detail anarchisch vom Leben moderner Frauen berichten, von Frauen, die gern feiern, in den sozialen Medien zu Hause sind, die coolsten Ecken der Stadt kennen, die glauben, ihnen gehöre die Welt. Und die manchmal entdecken müssen, dass sie sich getäuscht haben. Denn „I May Destroy You“ erzählt auch von einer Vergewaltigung. Davon, wie aus einem Leben im Rausch ein Leben wie auf einem schlechten Trip wird. (best)

„I May Destroy You“, 12 Folgen à 30 Minuten, Sky

The Crown S4
The Crown S4(c) Des Willie/Netflix (Des Willie)

„The Crown“

Durch den Erfolg ihrer vierten Staffel gehört „The Crown“ nun zu den ganz großen Serien: Endlich stößt Lady Diana zur britischen Königsfamilie. Hat Drehbuchautor Peter Morgan in seiner Beschreibung der unglücklichen Ehe zwischen Diana und Prinz Charles übertrieben? So etwas hört man jedenfalls aus dem Königshaus, das sich offiziell freilich nicht äußert. Dianas Bruder wünscht sich einen Hinweis, dass es sich bei der Serie um Fiktion, nicht um Fakten handle. Kritik wie diese trägt natürlich zum Reiz der Serie bei. Wie auch das exzellente Drehbuch und die nicht minder exzellente schauspielerische Leistung, allen voran Olivia Colman als Queen, Helena Bonham Carter als Margaret sowie Josh O'Connor und Emma Corrin als unglückliches Paar (leider ist Gillian Anderson als Premierministerin Thatcher nicht so gut wie erhofft). „The Crown“ gewährt einen Einblick in die fremde Welt des Hochadels und der Mächtigen und zeigt: Diese Menschen sind auch nicht zufriedener. (her)

„The Crown“: Staffel vier mit zehn je ca. 50-minütigen Folgen, Netflix

(c) Amazon Prime

„The Expanse“

Mit dem Start der neuen Staffeln so kurz vor Weihnachten geht „The Expanse“ in vielen Bestenlisten leider unter. Zu Unrecht: Sie ist aktuell die beste Science-Fiction-Serie, trotz „Picard“ weit vor „Star Trek: Discovery“. Staffel vier, die erste, die von Amazon Prime produziert wurde, zog sich etwas. In Staffel fünf findet „The Expanse“ zur Hochform zurück: Ein Terrorist aus dem Asteroidengürtel (quasi der Dritten Welt) bedroht die reiche Erde. Der Mars (hat Ähnlichkeiten mit China und der ehemaligen Sowjetunion) steuert derweil auf einen gesellschaftlichen Zusammenbruch hin. Rasant erzählt, mit diversem Cast und technisch durchdacht. Wenn „The Expanse“ schon nicht das Lob kriegt, das sie verdient, kann man prophezeien: Sie wird das Genre verändern. (her)

„The Expanse“, Staffel fünf startet am 16. Dezember, zehn je ca. 50-minütige Folgen, Amazon

(c) AMC/Netflix (Michele K. Short/AMC/Sony Pictur)

„Better Call Saul“

Der Dauerbrenner auf den Bestenlisten hat heuer mit Staffel fünf wieder bewiesen, wie gut er ist: Jimmy McGill (Bob Odenkirk) tänzelt nicht nur an moralischen und juristischen Grenzen entlang, er überschreitet sie immer stärker. In Staffel fünf entscheidet er, nun unter dem Namen Saul Goodman als Anwalt zu arbeiten – als Saul Goodman hat man ihn einst in „Breaking Bad“ kennengelernt. Rhea Seehorn stiehlt Jimmy als seine toughe Komplizin Kim Wexler oftmals die Show. Ein abgründiges Vergnügen. (her)

„Better Call Saul“, Staffel fünf mit zehn ca. einstündigen Folgen, Netflix

Sl�born (8)
Sl�born (8)(c) ZDF (Krzysztof Wiktor)

„Sløborn“

Eine Serie wie die Horrorversion von 2020, die Regisseur Christian Alvart schon 2018 konzipiert und 2019 gedreht hat: Auf einer kleinen Nordseeinsel wütet ein Virus – die Menschen ahnen davon zunächst nichts. Es ist eine weltweit grassierende Taubengrippe, die hoch ansteckend ist - und tödlich. Die Serie begleitet die 15jährige Evelin (Emily Kusche) durch das Chaos, das bald zum Überlebenskampf wird. Erst heißt es nur: Hände waschen, Mund-Nasen-Schutz tragen, die Kinder kriegen schulfrei. Später rattern die Hubschrauber über der Insel, Soldaten treiben Menschen aus ihren Häusern, um sie wegzubringen. Niemand weiß wohin. Kein sehr tröstlicher Stoff also in Corona-Zeiten. (i.w.)

„Sløborn“, acht Folgen à 50 Minuten, derzeit nur kostenpflichtig auf Amazon Prime

(c) LARA SOLANKI/NETFLIX

„Never Have I Ever”

Von den Nöten und Zumutungen der Adoleszenz erzählten zuletzt viele ausgezeichnete Serien. Die US-Komikerin Mindy Kaling legte heuer eine semi-autobiografische Jugend-Rom-Com vor, die wunderbar witzig, bewegend und entzückend ist. Im Zentrum: die 15-jährige Indisch-stämmige Devi (Maitreyi Ramakrishnan), die so furchtlos wie verletzlich ist – und ihr Ziel, die Entjungferung durch den attraktiven Bad Boy der Schule, genauso entschlossen verfolgt wie ihre Princeton-Bewerbung. Dazu kommt ein verdrängtes Trauma, ein Generationenkonflikt zwischen der traditionsbewussten Mutter und der völlig amerikanisierten Tochter – und ein witziger Kniff: Der Erzähler des Ganzen ist nämlich Tennis-Hitzkopf John McEnroe. Viel treffender kann man jugendliche Impulsivität nicht in Serie gießen. (kanu)

„Never Have I Ever” (Noch nie in meinem Leben …), zehn Folgen à 30 Minuten, Netflix

1
1(c) Netflix

„Feel Good“

Eine Feel-Good-Serie im Wortsinn ist das nicht: Die kanadische Komikerin Mae Martin hat sich mit hochpersönlichen, schonungslosen Stand-up-Programmen über ihr Ringen mit Sucht, der Familie und ihrer sexuellen Identität einen Namen gemacht. In der Serie, die sie für Channel 4 (bei uns auf Netflix) kreiert hat, spielt sie eine jüngere Version ihrer selbst. Erzählt wird die Liebesgeschichte zwischen dieser Mae und der sehr britischen George, die zum ersten Mal mit einer Frau zusammen kommt. Mit viel Feingefühl und trockenem Humor wird hier geschildert, wie sich zwei Menschen leidenschaftlich lieben und doch nur die schlechtesten Seiten am jeweils anderen zum Vorschein bringen. (kanu)

„Feel Good“, zehn Folgen à 30 Minuten, Netflix

(c) Amazon/Erin Simkin

„Little Fires Everywhere“

Seltsam, dass das Thema in so wenigen Serien eine Rolle spielt: Mutterschaft, wie wir sie leben, was wir darin finden, wie sie uns verändert, welche Extreme und ja, auch Härte daraus entsteht. Ein weites Feld. Wie weit, zeigt die auf einem Roman von Celeste Ng basierende Serie „Little Fires Everywhere“. Hier begegnen einander zwei Mütter, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die eine weiß, reich, in schrecklichem Ausmaß organisiert (Reese Witherspoon). Die andere schwarz, vagabundierend, geheimnisvoll (Kerry Washington). Sie könnten trotz allem Freundinnen sein, aber ihre Bekanntschaft endet mit einem Flammeninferno. Eine trotz manch überzeichnetem Detail sehr starke Serie. (rovi)

„Little Fires Everywhere“, acht Folgen à 50 Minuten, Amazon Prime

(c) NETFLIX (AARON EPSTEIN/NETFLIX)

„Space Force”

„Boobs on the moon!“ Das hat der Präsident getwittert, und dabei wohl „boots“ gemeint: Die schrullige Satire von Serienmacher Greg Daniels („The Office“, „Parks and Recreation“) malt sich aus, wie es in der Weltraumstreitkraft, die Trump ins Leben gerufen hat, wohl zugehen könnte. Die nicht in jeder Hinsicht geglückte Serie besticht vor allem mit ihren beiden Hauptcharakteren: Steve Carrell spielt den Space-Force-Chef, der ein Faible für pathetische Reden hat und keine Ahnung vom All, dafür einen pragmatischen Sinn für Problemlösung: Eine Bombe geht immer! John Malkovich gibt seinen überkorrekten wissenschaftlichen Chefberater. Ihre gemeinsame Mission: Mit der Absurdität der US-Politik klarkommen – und dabei möglichst keinen Weltraumkrieg anzetteln. (kanu)

„Space Force“, zehn Folgen mit je ca 30 Minuten, Netflix

(c) Satel Film/BavariaFiction

„Freud“

Was für ein Erfolg! Gut, tatsächliche Zuschauerquoten gibt Netflix nicht bekannt, aber das: In 67 Ländern schaffte es die ORF-Koproduktion „Freud“ zumindest eine Zeit lang in die Top-10-Listen der meistgesehenen Netflix-Inhalte. Die Serie von Marvin Kren ist wie eine düstere Postkarte aus dem so gern romantisch verklärten Wien im Fin de Siècle. Gesellschaftliche Abgründe, politische Konflikte, Geisterbeschwörungen in dunklen Villen, kalkweiße Krankenhausgänge, ein spannendes Mordkomplott – und mittendrin ein junger Sigmund Freud, der am Kokainflascherl nuckelt und verzweifelt versucht, seinen Theorien Gehör zu verschaffen. Die Grenze zwischen Wissenschaft und Mystik ist hier fließend, in opulenten, surrealen Bildern werden Rauschzustände aller Art gefeiert: Sieht so unser Unbewusstes aus? (kanu)

„Freud“, acht Folgen à 50 Minuten, Netflix

(c) Starzplay

„Normal People“

Sie könnten natürlich den Roman lesen. Das sollten sie auch, er wurde 2020 zu Recht als literarische Sensation gefeiert. Aber wenn Sie dazu keine Lust haben: Die Serie steht der Vorlage von Sally Rooney um (fast) nichts nach. Zwei Teenager stehen im Mittelpunkt, ihr ganz normales Leben eben, sie aus gutem Hause, er in eine verrufenen Familie hineingeboren, und wie sie sich finden und verlieren, sich wiederfinden und dann nochmals verlieren, das ist bittersüß erzählt und anrührend gespielt von Daisy Edgar-Jones und Paul Mescal. Bonus: Wirklich beglückende Sex-Szenen, die keiner wie auch immer gearteten Ästhetik hinterherjagen und auch nicht dem Klischee huldigen, dass wahre Leidenschaft damit zu tun hat, dass man sich die Kleider vom Leib reißt. (best)

Normal People“, zwölf Folgen à 30 Minuten, auf dem kostenpflichtigen Amazon-Channel Starzplay

Chicago Bulls v Vancouver Grizzlies
Chicago Bulls v Vancouver Grizzlies(c) NEtflix/NBAE via Getty Images (Andy Hayt)

„The Last Dance“

Zwei herausragende Doku-Serien kamen heuer heraus: Das trashige „Tiger King“, das viel gesehen und viel kritisiert wurde, und „The Last Dance“ über die letzte Saison des legendären Basketballteams Chicago Bulls unter Coach Phil Jackson. Vor allem aber ist es eine Serie über Michael Jordan, über Ehrgeiz, über Geld und über Fairness. Da ist etwa Scottie Pippen, der Spieler, der Michael Jordan erst richtig glänzen ließ und der stets unter Wert bezahlt wurde. Das Filmmaterial stammt aus der Saison 1997/98, in der ein Dokumetarfilmer das Team begleitete. Jordan selbst sorgte dafür, dass es damals nicht veröffentlicht werden konnte. Auch wenn die Serie nicht ohne spektakuläre Würfe und Heldenverehrung auskommt: aus der Nähe sieht man die Risse im Denkmal. (her)

„The Last Dance“, zehn Folge à 50 Minuten, Netflix

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