Kunstlicht

Von Schmerzen und Tabus in Frauenlieben und -leben

(c) kunst-dokumentation.com / Manuel
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In einer ehemaligen Wiener Arztpraxis erzählen eine Fotokünstlerin und ein Maler bewegend über die Fehlgeburt des gemeinsamen Kindes.

Immerhin keine gynäkologische Praxis, das wäre der Realität unerträglich nah. Die Einladung der zwei Künstler führt einen in die ehemalige Praxis eines Prof. Dr. Gerhard Tappeiner, für Haut- und Geschlechtskrankheiten, wie man auf einem Schild in der Garnisongasse 11 liest.
Ort und Name sind kein Zufall, handelt es sich doch um den Vater der Wiener Galeristin Sophie Tappeiner, der seine elegante Ordination zur Verfügung gestellt hat. Und zwar der Fotokünstlerin Anaïs Horn und dem Maler Eilert Asmervik, damit sie hier einen Wendepunkt in ihrem Leben künstlerisch verarbeiten können. „How do you feel about ,Lou‘?“ fragen sie in Vorraum, Besprechungsraum, Behandlungsraum, Umziehkabine hinein. Alle besiedelt von Bildern, Videos und Dingen, die von drei Monaten erzählen, in denen ein ungeplantes Kind empfangen und wieder verabschiedet wurde.

Im begleitenden Künstlerbuch liest man, wie alles begann: mit ein paar fröhlichen SMS im Oktober 2019. Man kannte sich nicht wirklich, es ging um eine Wohnungsvermietung. Kurz danach war Horn, die in Paris lebte, von Asmervik, der aus Norwegen stammt und bei Daniel Richter Malerei studiert, schwanger. Intuitiv begann sie, ihre Entscheidungsfindung zu dokumentieren. Fotos erzählen von Gesprächen mit Freunden, Eltern, Asmervik. Man verbrachte viel Zeit zusammen, fuhr im Dezember in die Loos-Villa am Semmering. Fotos von blutigen Leintüchern, ein Video, in dem die nacheilende Mutter das blutige Nachthemd der Tochter auswäscht, erzählen vom Fortgang. Wie Schnappschüsse oder Träume wirken die Bilder Asmerviks, die damals entstanden. Sie begleiten einen assoziativ dabei, wie man sich in diesem fremden Schicksal umsieht: die gemalte Handtasche Horns, die sie immer begleitete, ein Spielzeugpferd, eine sich in den Schwanz beißende Ewigkeitsschlange. Wie immer bei Kunst, die derart persönlich wird, wird man stiller, ringt um Abstand, es beschleicht einen auch Scham. Das war schon bei Tracey Emin so, als sie ihr ungemachtes Bett, das Bett einer promisken Abhängigen, ausstellte. Als man mit Sophie Calle, der Königin des persönlichen Schmerzes in der Kunst, das letztklassige Abschieds-E-Mail ihres Freundes las („Geben Sie acht auf sich“) oder in einem Video ohne Vorwarnung den letzten Atemzügen ihrer Mutter ausgesetzt wurde. Alles Tabus aus Frauenlieben und -leben.

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