Interview

„Benito Mussolini hat den Populismus erfunden“

Roger Viollet / picturedesk.com
  • Drucken

Mussolini-Experte und Bestseller-Autor Antonio Scurati über die politische Verwandtschaft Donald Trumps und Benito Mussolinis, die Macht des Grotesken und was man übersieht, wenn man populistische Politiker als „Buffons“ verschmäht.

Die Presse: Sie bezeichnen Benito Mussolini als Archetypen des Populisten. Warum?

Antonio Scurati: Mussolini erfand nicht nur die faschistische Partei, sondern auch jenen Führungsstil, den wir heute „Populismus“ nennen. Seine Grundformel: Der Anführer verweilt immer einen Schritt hinter den Massen, schnüffelt an deren Launen. Paradoxerweise führt also der Populist, indem er folgt. Wenn nun aber das politische Leben auf Launen reduziert wird, sind dies meist schlechte, düstere Launen – Angst, Wut, Groll. Der Populist facht diese Gefühle an, sie stärken ihn. Ein weiterer Aspekt ist der Messianismus: Der politische Anführer wird zum Retter, Mann der Zukunft. Papst Pius XI. nannte Mussolini „Mann der Vorsehung“ – so betitele ich auch den zweiten Band meines Mussolini-Romans. Und natürlich setzt der Populist auf Polarisierung, auf die Dialektik Freund/ Feind, während Demokratien von Mediation, Dialog, Kompromiss leben.

Ist Populismus nun faschistisch oder Faschismus populistisch?

Die einzig richtige Frage ist: Wie viel Populismus steckt im Faschismus – und nicht umgekehrt. Ein Donald Trump, ein Matteo Salvini „stammt“ nicht von Mussolini ab, weil er einer faschistischen politischen Kultur angehört. Sondern weil er einen Führungsstil wählt und weiterentwickelt, den Mussolini erfunden hat. Trump hat nichts mit Faschismus am Hut, er weiß wohl nur rudimentär, wer Mussolini war. Deshalb ist es sinnlos zu fragen: Wie faschistisch ist Donald Trump? Interessant ist vielmehr der Aspekt, wie viel Trump in einem Mussolini gesteckt hat – und warum sich ausgerechnet in unserer Zeit dieser Führungsstil mit einer solchen Vehemenz wieder behauptet.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.