Zehn Jahre Arabischer Frühling sind zehn Jahre von Aufständen, Regimewechseln und blutigen Kriegen in Libyen und Syrien. Der Rückblick eines Reporters.
I. Der Aufbruch
Gähnende Leere in der Abendmaschine von Madrid nach Tunis. Nur vier spanische Kollegen in den Reihen hinter mir und in der Businessklasse ein tunesischer Anwalt mit seiner Frau. Das Ehepaar kam schon leicht torkelnd an Bord, trinkt aber während des Flugs munter weiter. Sie feiern. Denn der tunesische Präsident Zine el-Abidine Ben Ali flüchtete am Tag zuvor ins Exil. „Nach 23 Jahren Diktatur sind wir endlich frei“, sagt der Anwalt und hebt das Weinglas.
Auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt von Tunis lodern hohe Feuer am Straßenrand in der Dunkelheit. Polizisten kontrollieren mit Pistolen in der Hand. Die Demonstrationen auf der Avenue Bourguiba gehen weiter. Der Diktator hat abgedankt, nun soll auch der Rest der alten Machtelite verschwinden. Furchtlose Kids aus den ärmlichen Vororten treiben die Proteste voran. Die Deklassierten, die an Gewalt und Not gewöhnt sind, machen die Revolution. In Tunis herrscht Aufbruchstimmung.