Das Moka Efti Orchestra feat. Severija
Anzeige
Anzeige

Musik: Wem gehört die Dunkelheit, wen erlöst der nächste Morgen?

Berlin zu Gast in St. Pölten. Mit dem Moka Efti Orchestra und dem US-Orgelphänomen Cameron Carpenter setzt das Festspielhaus auf Klassik, Jazz und Elektronik. Moka Efti war ein Lokal, das Orchester entstand infolge der TV-Serie „Babylon Berlin“.

Das hätte sich der griechischstämmige Kaffeeröster Gianis Eftimiades auch nicht gedacht, dass seine beiden Moka-Efti-Etablissements, die er in den 1920er-Jahren in Berlin gründete, ein schillerndes Nachleben führen werden. Eines war beim Tiergarten situiert, das andere in der Friedrichstraße, für das eine der frühesten Rolltreppen Berlins gebaut wurde. Eine Sensation war das damals.

Dank der Fernsehserie „Babylon Berlin“, deren Soundtrack mit so illustren Größen wie Bryan Ferry und Larry Mullins aufwartet, hat sich das Moka Efti Orchestra überhaupt erst begründet. Nikko Weidemann, Mario Kamien und Sebastian Borkowski sind die Eckpfeiler dieser Unternehmung. Der Name Mario Kamien sollte hierzulande noch vom Elektronik-Jazz-Duo Dzihan & Kamien bekannt sein. Der gebürtige Deutsche hat viele Jahre lang in Wien gelebt, was seine Persönlichkeit entscheidend elastischer gemacht hat.

Als herbe Grazie des Großensembles fungiert die litauische Sängerin Severija, die auch als Schauspielerin Brillant-Maliziöses in die Serie eingebracht hat. U.a. hat sie den famosen Titelsong „Zu Asche, zu Staub“ fabelhaft intoniert. Das auch von Variétesänger Tim Fischer (auch er spielt in der Serie eine Rolle) gern gesungene Lied enthält die bitter-süße Schlüsselzeilen „Zu Asche, zu Staub, dem Licht geraubt. Doch noch nicht jetzt, Wunder warten bis zuletzt.“ Die mal pompöse, mal zackig swingende Musik macht die Tanzwut und den Ekstasewillen der Subkulturen in der Weimarer Republik sinnlich erfahrbar. Sie ist aber auch ein subtiler Soundtrack der gegenwärtigen Umbrüche infolge von Finanzkrise, Pandemie und internationalem politischen Rechtsruck.

Zum „Fatalist Tango“ und zum „Crocodile Blues“ kann auch der oder die Heutige hervorragend Glieder verrenken und Extremitäten in die Luft schmeissen. Wer sich ganz wegwerfen will, der lausche innig dem Stück „Vaskresenje“, der russischen Version des ungarischen Selbstmordklassikers „Gloomy Sunday“. Die erste geplante Tournee die das Moka Efti Orchestra nach Wien geführt hätte, musste wegen Corona abgesagt werden. Steht zu hoffen, dass der Termin 19. 2. 2021 im Festspielhaus St. Pölten diesmal hält.

Der Ausnahme - Organist Cameron Carpenter.
Der Ausnahme - Organist Cameron Carpenter.Thomas Grube

Auch der zweite, für Februar 2021 geplante Musikact hat mit Berlin zu tun. Der spektakuläre, amerikanische Orgler Cameron Carpenter ist für den 26. 2. 2021 angesagt. Im Repertoire des 1981 in Meadville, Pennsylvania geborenen Künstlers geht es wüst zu. Mit viel Gusto würfelt er so Heterogenes wie Chopin und Sisters Of Mercy, Bach und Kate Bush durcheinander. Wenn der gute Mann nicht gerade von der Ladefläche eines LKWs vor Seniorenheimen spielt, um die Fackel der Kultur während des Lockdowns in Deutschland hochzuhalten. Der zuweilen sehr exzentrisch aussehende Künstler, mal trägt er eine Irokesenfrisur, dann wieder eine Swarowskiglitzerjacke, entzweit die Kritik.

„Lange Beine, süße Kleine“

Was Carpenter allerdings niemand absprechen kann, ist sein Charme. Ganz selten verführt er damit zu einem Astor-Piazzolla-Tango. Selbigen lassen, wie schon erwähnt, gerne auch die Damen und Herren vom Moka Efti Orchestra erschallen. Anders als der zuweilen weltentrückt wirkende Orgler Cameron Carpenter nehmen sie auch die Sprache in den Dienst, um auf erotische Gefahren hinzuweisen. „Oh, wie schön sind lange Beene, dit ist für mich dit größte Glück. Siehst da drüben die süsse Kleene, die macht mich janz verrückt.“ Und die Moka-Efti-Musiker stellen wichtige Fragen wie „Wem gehört die Dunkelheit, wen erlöst der nächste Morgen?“ Die Antworten werden nur jene wissen, die sich das auch live anhören.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.