Wochentagsamnesie

Junge vergessen im Lockdown welcher Tag gerade ist

Ob man am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag nichts zu tun hat, ist eigentlich schon egal.
Ob man am Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag nichts zu tun hat, ist eigentlich schon egal. APA/GEORG HOCHMUTH
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Forscher sehen in der „Wochentagsamnesie“ ein Anzeichen für die steigende psychische Belastung der Bevölkerung.

Der Lockdown im Frühjahr hat bei vielen Menschen zu verändertem Zeitempfinden geführt. Bei einem Teil ist der unerwartete und ungewohnte Strukturverlust mit einer "Wochentagsamnesie" einhergegangen, zeigt ein Blog-Beitrag zum Austrian Corona Panel Project der Uni Wien. Demnach hat im April ein Drittel der  Österreicher manchmal den Wochentag vergessen. Am stärksten von dem Phänomen betroffen waren Schüler und Studenten, unter ihnen hatten 61 Prozent "Wochentagsamnesie".

Was als scheinbar harmlose Beobachtung daherkommt, könnte laut
dem Forscherteam um Jakob-Moritz Eberl einen "durchaus ernstzunehmenden Kern" haben: Der Verlust gefühlter Zeitstruktur
gehe nämlich auf Dauer oft mit Gefühlen der Passivität und
Resignation einher. "So muss die 'Wochentagsamnesie' auch als ein
Indikator für die psychische Gesundheit der Bevölkerung gesehen
werden."

Schüler, Studenten und Arbeitslose betroffen

Wie andere Symptome der Pandemie trifft auch die
"Wochentagsamnesie" nicht alle Bevölkerungsgruppen gleich: Neben Schülern und Studenten, unter denen sechs von zehn bei der Befragung während des ersten Lockdowns Anfang April manchmal den Wochentag vergaßen, waren auch Arbeitslose mit 40 Prozent besonders stark betroffen. Unter Pensionisten waren es allen Vorurteilen über Vergesslichkeit zum Trotz nur 24 Prozent - so wenig wie in keiner anderen Gruppe. Keine Unterschiede gab es wider Erwarten beim gefühlten Verlust der Zeitstruktur zwischen Befragten, die im Homeoffice waren, und jenen, die normal ihrer Arbeit nachgehen konnten (28 bzw. 29 Prozent). Menschen in Kurzarbeit litten mit 34 Prozent etwas öfter an "Wochentagsamnesie".

Parallel zur (vorübergehenden) Lockerung der strengen
Corona-Maßnahmen (Ausgangssperren, Schließung von
Bildungseinrichtungen, Einschränkungen bei Freizeitaktivitäten) hat
die "Wochentagsamnesie" dann wieder drastisch abgenommen, zeigen die Daten des Austrian Corona Panel Projects, für das seit März 1500 Personen regelmäßig befragt werden. Über die gesamte Bevölkerung waren im April 33 Prozent betroffen, im Oktober waren es nur noch zwölf. Bei Schülern und Studenten sank der Wert von 61 auf 25 Prozent, unter Arbeitslosen von 40 auf 30 Prozent, unter
Pensionisten von 24 auf acht Prozent. Für die Forscher ist
angesichts dieser parallelen Entwicklung von Corona-Maßnahmen und "Wochentagsamnesie"-Betroffenheit allerdings auch "davon auszugehen, dass mit der Wiedereinführung strengerer Maßnahmen und abermaliger Einschränkungen im Freizeitbereich auch wieder ein verändertes Zeitempfinden vermehrt auftreten kann".

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