Elektrochemie

Chemische Sensoren melden, wenn die Luft nicht rein ist

Wenn es in einer Fabrik brennt oder wenn Gase austreten, entstehen oft giftige Chemikalien. Sie müssen sofort eliminiert werden, um Menschen und Umwelt nicht zu gefährden.
Wenn es in einer Fabrik brennt oder wenn Gase austreten, entstehen oft giftige Chemikalien. Sie müssen sofort eliminiert werden, um Menschen und Umwelt nicht zu gefährden.(c) imago images/Westend61 (Jose Luis CARRASCOSA via www.imago-images.de)
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Desinfizieren und Viren abtöten ohne giftige Chemikalien. Daran arbeiten Forscher aus Wiener Neustadt. Sie entwickeln Filtersysteme, die elektrochemisch Bakterien, Viren und gefährliche Substanzen eliminieren und durch ihre Selbstreinigung wiederverwendbar sind.

Wenn es in einer Fabrik brennt oder wenn Gase austreten, entstehen oft giftige Chemikalien. Sie müssen sofort eliminiert werden, um Menschen und Umwelt nicht zu gefährden. Solche Filteranlagen gehören in Industriehallen zur Standardausrüstung. Doch die Entsorgung der Filter ist bisher ein Problem: Denn die giftigen Chemikalien, die abgefangen wurden, hängen dann in diesen Stoffen fest.

Folglich werden die Filtersysteme nach ihrer wertvollen Aufgabe selbst zu Sondermüll, der mit toxischen Substanzen beladen ist. Die Fotec, das Forschungsunternehmen der FH Wiener Neustadt, wollte dieses Problem lösen und aus dem giftigen Sondermüll wiederverwendbare Filter machen. „Das war die Ursprungsidee des Projekts E-Steril“, sagt Roland Palkovits, der das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG finanzierte Projekt leitet.

Als umweltfreundliche Technik setzen die Forscher dabei auf die Elektrochemie, um derartige Filtersysteme zu dekontaminieren und darin befindliche Viren, Bakterien und giftige Chemikalien zu eliminieren. Die Filter werden mit einer Elektrolytlösung versetzt, man legt eine leichte Spannung an und erzeugt dadurch kurzlebige, sehr reaktive Moleküle, die alles angreifen, was eliminiert gehört.
Die Ausgangsverbindungen in der Lösung sind ungiftig: Wasser, Salz und Luft. Elektrochemisch entstehen daraus Wasserstoffperoxid oder Hypochlorit, die ebenso wie in der weltweit erprobten Desinfektion von Trinkwasser die Filter dekontaminieren und desinfizieren. Der Einsatz von umweltbelastenden Desinfektionsmitteln fällt also weg, und die Produkte können wiederverwendet oder gefahrlos entsorgt werden.

Zivile und militärische Anwendungen

Und weil die Ausgangsstoffe überall vorkommen, auch in Krisengebieten, bemerkten die Forscher, dass die Einsatzmöglichkeiten noch viel weiter reichen als für Filteranlagen der Industrie.
So wurde auch das Bundesministerium für Landesverteidigung ins Forscherkonsortium aufgenommen, um aus der ursprünglich zivilen Anwendung auch militärischen Nutzen zu ziehen. Die Förderung der FFG kommt daher auch aus dem Verteidigungsforschungsprogramm Forte.
Wer sich mit der Eliminierung von giftigen und gefährlichen Substanzen in der Luft auskennt, kann freilich auch dem ABC-Schutz dienlich sein: Das sind Maßnahmen gegen atomare, biologische und chemische Gefahren. Darunter fallen Bedrohungen von giftigen Kampfstoffen ebenso wie Gefahren von Bakterien und Viren. Auf derart „biologische Kontamination“ ist das OFI (Österreichisches Forschungsinstitut für Chemie und Technik) spezialisiert. Die Dringlichkeit von virenfreier Atemluft hatte selten so hohe Aufmerksamkeit wie in der aktuellen Coronapandemie.

„Das Ziel des Projekts sind selbstreinigende Filter für Räume, Zelte oder Fahrzeuge“, erklärt Palkovits. Im Weiteren rücken dann die viel kleineren Filter in Atemschutzmasken der ABC-Ausrüstung des Bundesheers in den Fokus.
Das Besondere an den hier entwickelten Filtern sind gewisse Sensoren, die sofort erkennen, wenn giftige Substanzen oder Bakterien und Viren erfasst werden. Ein weiterer Projektpartner, die Attophotonics Biosciences GmbH, tüftelt an diesen Chemosensor-gesteuerten Filtersystemen. Wenn im Filter Chemikalien gebunden werden, melden die Sensoren einerseits, welche Substanz gerade gefährlich durch die Luft wandert. Andererseits starten die Sensoren sogleich die Dekontamination des Systems, um den Filter direkt zu entgiften.

„Ob die elektrochemische Reinigung aufgesprüht wird oder in anderer Form erfolgt, das wird nun im Projekt E-Steril getestet“, sagt Palkovits. Offizieller Start ist im Jänner 2021. In den nächsten drei Jahren werden auch Bachelor- und Masterarbeiten aus dem Studiengang Mechatronik der FH Wr. Neustadt diese Lösungen erforschen. Das Endprodukt soll überall, wo es notwendig ist, auch im Kriseneinsatz, sofort installierbar sein: Für die Elektrochemie reicht der Strom aus einer normalen Autobatterie.

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