Wiener Weihnachtsmarkt im Jahre 1894.
Weihnachten

Die lange Reise des Christkinds

Weihnachten wird heuer intimer denn je zuvor, manche meinen, es werde dadurch authentischer. Ein Rückblick auf Bräuche und Traditionen zeigt, dass das ehemals öffentliche Fest Weihnachten erst spät den Weg in die Wohnzimmer fand.

Finden wir etwas Gutes an Weihnachten 2020? Offenkundig ist: Die Kritik an der schäbigen Kommerzialisierung, die das Fest seit Langem begleitet, der Ärger, dass es zu laut und zu aufgedonnert daherkommt, als intimes Familienfest seinen Charakter verliert, ist im Coronajahr wenig angebracht. Ganz abgesehen davon, dass die pauschale Kritik am Warenfetischismus ohnehin etwas abgestanden wirkt: Es wird heuer sowieso intimer denn je zuvor. In vielen Ländern ist das Weihnachtsgeschäft 2020 nur mehr ein matter Abglanz von früher. Kann man den anderen nicht umarmen, drohe zudem der Charakter des Festes verloren zu gehen, hört man, und das Heiligabend-Ritual büße an Atmosphäre ein. Sind Großeltern und Enkel getrennt, ist das traurig. Stehen die schlimmsten Weihnachten seit Kriegsende 1945 bevor?

Volkskundler, die sich mit der Entwicklung des Weihnachtsfestes beschäftigt haben, schütteln da den Kopf. Der Ethnologe Thomas Hauschild, der vor einigen Jahren ein Buch über die Tradition des Weihnachtsmanns veröffentlicht hat, sagte kürzlich der „Süddeutschen Zeitung“: „Plötzlich wird so getan, als wären wir eine einzige feierwütige, großfamilienbeseelte Weihnachtstruppe. Wir zelebrieren doch seit Jahrzehnten diese eher eingezogene Weihnacht, auf die wir immer stolz waren.“

Familiensinn. Was er unter „eingezogen“ versteht, ist die Form von Weihnachten, wie sie vom Bürgertum ab 1800, in Österreich in der Biedermeierzeit, eingeführt wurde. Die aufstrebende Klasse suchte neue Ausdrucksformen ihrer Werte und fand sie im Familiensinn und der Kinderfürsorge. Ihr Weihnachtsfest hatte keinen lauten Festcharakter, sondern wurde ein besinnliches Fest der Familie und bürgerlichen Häuslichkeit.

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