Unterwegs

Russische Hinterhöfe

Früher herrschte anarchische Freiheit in russischen Hinterhöfen.
Früher herrschte anarchische Freiheit in russischen Hinterhöfen. (c) imago images/YAY Images (via www.imago-images.de)
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Früher herrschte anarchische Freiheit in russischen Hinterhöfen. Doch heute stößt man schnell an neue Grenzen.

Viele Russen assoziieren eine unbeschwerte Kindheit mit den weitläufigen Höfen der Großstädte. Nicht zuletzt der russische Präsident, Wladimir Putin, verbrachte seine prägenden Jahre in den Leningrader Hinterhöfen, wo er das Gesetz des Stärkeren kennen und lieben lernte. Man muss sich nicht unbedingt prügeln wollen, um Zeit in den parkähnlichen Anlagen hinter den Wohnhäusern zu verbringen.

Die russischen Höfe sind eine eigene Welt im Schatten der Großstadt, ein von den Prunkstraßen verborgenes Refugium, in dem Nachbarn miteinander tratschen, streiten und trinken. Kinder haben die Spielplätze besetzt, spielen fangen oder lernen Radfahren. Blumenbeete werden mit Hingabe betreut, Autos repariert, Katzen gefüttert.

Die Hinterhöfe bilden auch ein alternatives Bewegungssystem, das dabei hilft, die lauten Straßen zu meiden und die langen Wege abzukürzen. Denn meistens sind die Wohnhäuser eines ganzen Blocks durch eine Aneinanderreihung von Höfen verbunden – und irgendein Pfad führt immer hinaus. Bis vor einigen Jahren jedenfalls.

Denn als Reaktion auf unwillkommene Eindringlinge hat man in vergangener Zeit Zäune hochgezogen und elektronische Tore eingebaut, die nur die Bewohner des entsprechenden Hauses mit einem speziellen Schlüssel öffnen können. Heute müssen Passanten allzu oft vor hohen Aluwällen kehrtmachen. Wie schade, der Abschneider durch die Höfe ist versperrt!

Auch dem kleinen Wladimir Putin hätte das nicht zugesagt, zumindest damals, als er noch vor seinen Gegnern davonlaufen musste.

jutta.sommerbauer@diepresse.com

Nächste Woche: Oliver Grimm

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2020)

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