Rückblick

Das Jahr der Absagen und Innovationen

Oliver Barker, Auktionator bei Sotheby’s, dirigierte die Angebote aus aller Welt.
Oliver Barker, Auktionator bei Sotheby’s, dirigierte die Angebote aus aller Welt.(c) Sotheby’s
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Corona zwang den Kunstmarkt, neue Wege zu gehen. Nach einem ersten Schock zeigte sich die Branche sehr flexibel und einfallsreich.

Der Kunstmarkt war bisher eine gut abgestimmte Maschinerie, die vom internationalen Austausch, von Messen, Auktionen, Vernissagen und Socializing lebte. Dann kam Corona, und nichts ging mehr. Ab März fielen die Messen wie Dominosteine, eine Absage jagte die nächste. Die Auktionshäuser standen vor demselben Problem.

Digitalisierungsschub. Doch nach dem ersten Schock kam Bewegung in den Markt. Eine Branche, die bei der Digitalisierung bisher im Dornröschenschlaf verweilte, entwickelte im Eiltempo Onlinestrategien. Galerien, Kunsthändler und auch Messen starteten Viewingrooms, Verkaufsplattformen und digitale Messen. Zu den ersten zählte die Art Basel, die durch die Absage der Messe in Hongkong früh betroffen war. Es war ein Schnellstart mit Kinderkrankheiten, aber im Laufe des Jahres wurden die verschiedenen Messen bei ihrem Onlineangebot professioneller. Und jetzt, da sie die digitale Welt entdeckt haben, wollen sie auch in Zukunft neben realen Messen an den Onlineversionen festhalten.

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Auktionsgeschäft. Zwar gab es die reinen Onlineauktionen schon in der Vergangenheit, doch selbst bei den Marktführern Sotheby's und Christie's machten diese nur einen geringen Anteil aus. Das Hauptproblem der Onlineauktionen war, dass sie nur für niedrigpreisige Ware genutzt wurden. Mehr als 80 Prozent der Lose lagen bei unter 10.000 Dollar. Vielen Sammlern war das Kaufen von hochpreisiger Ware, ohne diese real gesehen zu haben, suspekt. Doch all das sollte sich durch Corona ändern.

Nachdem die Big Player zuerst ihre wichtigen Prestigeauktionen in den Sommer verschoben hatten, arbeiteten sie mit Hochdruck an digitalen Lösungen. Es wurden Hybridformate aus Live- und Digital-Auktionen geschaffen, die sich schnell durchsetzten. Der große Lackmustest für den High-End-Markt kam am 29. Juni. Sotheby's startete mit dieser neuen Auktionsform und nannte sie „Auction of the Future“. Starauktionator Oliver Barker stand in London in einer Art TV-Studio vor Screens, die von Hongkong und New York zugeschaltet waren, und nahm Gebote aus aller Welt entgegen. Es war ein großer Erfolg, und die gläserne Decke der Preise wurde wahrlich pulverisiert. Den höchsten Zuschlag bekam Francis Bacons „Triptychon, angeregt durch die Orestie von Aischylos“, das auf 74 Millionen Dollar kletterte. Der Bann war gebrochen. Zwar blieben die Tophäuser insgesamt beim Umsatz unter den Vorjahren, die Ergebnisse waren dennoch viel besser, als man in der ersten Jahreshälfte auch nur zu hoffen gewagt hätte. Christie's-CEO Guillaume Cerutti bezifferte in einem Presse-Videocall den vorläufigen Jahresumsatz mit 3,4 Milliarden Pfund, das ist ein Minus gegenüber dem Vorjahr von 25 Prozent. Der größte Rückgang stammt aus dem Bereich Liveauktionen. Privatverkäufe boomten heuer und erzielten einen neuen Umsatzrekord von einer Milliarde Pfund, ein Plus von 55 Prozent. Während die Nachfrage laut Cerutti unverändert stark war, sei die Akquise ein Problem gewesen. Für 2021 zeigt sich der Christie's-Chef aber sehr optimistisch. Konkurrent Sotheby's verbuchte heuer einen Umsatz von fünf Milliarden Dollar und ebenfalls einen neuen Rekord bei Privatverkäufen von 1,5 Milliarden Dollar, ein Plus von mehr als 50 Prozent.

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