Düpiert vom Wikinger-Nachwuchs

Men's Giant Slalom
Men's Giant SlalomREUTERS
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Ski. Atle Lie McGrath ist der nächste junge Norweger, der den Weltcup aufmischt. Ein Landsmann sieht dabei gar nicht gut aus: Henrik Kristoffersen.

Alta Badia/Wien. Gerade noch hat Riesentorlauf-Großmeister Alexis Pinturault den Angriff des Newcomers abwehren können. Während der gelassene Franzose, 29, in Alta Badia die in Covid-Zeiten ebenso unaufgeregte Siegerehrung abwartete, kannte der Jubel bei einem jungen Norweger keine Grenzen: Der 20-jährige Atle Lie McGrath kam Pinturault bis auf sieben Hundertstel nahe und freute sich über sein erstes Weltcup-Podest.

Doch mit McGrath mischt nicht nur ein weiterer Wikinger die Skiwelt auf, seine Sensationsfahrt lässt einen vermeintlichen norwegischen Anführer ganz schlecht aussehen: Henrik Kristoffersen.

Der erfolgsverwöhnte 26-Jährige erlebt gerade eine tückische Phase seiner Karriere. Jahrelang hat er sich die Zähne an Marcel Hirscher ausgebissen, und als dieser schließlich abgetreten ist, war es nicht wie erwartet Kristoffersen, sondern just sein Landsmann Aleksander Aamodt Kilde, der Hirscher als Gesamtweltcupsieger beerbte. Brisant dabei: Kilde verkörpert wie kein anderer die norwegische Team-Philosophie, sein Sieg war auch ein Triumph über Kristoffersens ungeliebte Alleingänge. Schließlich hatte dieser nach jahrelangen Streitigkeiten sein eigenes Privatteam nach Hirscher-Vorbild durchgesetzt.

Material oder Nerven?

Als wäre das für den ehrgeizigen Kristoffersen nicht Demütigung genug, rast im ersten Rennen der neuen Saison in Sölden sein erst 20-jähriger Landsmann Lucas Braathen zum Premieren-Sieg. Bejubelt von Kilde, der den Youngster gemäß norwegischer Tradition unter seine Fittiche genommen hat. Auch bei den Riesentorläufen in Santa Caterina fährt Kristoffersen nur hinterher (22. und 12.). Und nun, in Alta Badia, wo er im Vorjahr noch gewonnen hatte, landete er als 15. nicht nur klar hinter Kilde (6.), der vom Speed-Double aus Gröden angereist ist, sondern er wurde erneut von einem Teenager düpiert. Auch McGrath profitierte auf der Gran Risa von der Erfahrung seiner Teamkollegen. Nur so kann ein 20-Jähriger auf einem der schwersten Weltcup-Hänge, wo nicht umsonst Marcel Hirscher sechsmal in Folge gewonnen hat, auf Anhieb schnell sein.

Angeblich kämpft Kristoffersen mit seinem Material, in Alta Badia erklärte er aber: „Ich hatte kein Problem mit dem Material. Ich fahre wie ein Zwölfjähriger. Ohne Tempo, Kraft und Angriffslust.“

Eine andere Erklärung: Der Druck auf den Wahl-Salzburger ist mit Hirschers Rücktritt zu groß geworden. Und nun, da ihm die junge Garde um Braathen und McGrath im Riesentorlauf den Rang ablaufen, er im Gesamtweltcup über 200 Punkte Rückstand auf das Top-Duo Pinturault und Kilde aufweist, wird Kristoffersen nervös. Lockerheit war nie seine Stärke, nie hatte der Mann aus Rælingen deshalb die Beliebtheitswerte seiner Landsleute Aksel Svindal, Kjetil Jansrud oder Kilde.

Atle Lie McGrath hingegen gibt den Teamplayer. Er wuchs in Norwegen auf, er fährt für den bekannten Baerums Skiklub (Finn Christian Jagge, Hans Petter Buraas, Lasse Kjus, Lucas Braathen). Sein Vater, der US-Amerikaner Felix McGrath, gehörte in den 1980er-Jahren zu den besten Slalomläufern der Welt. Nun, da der Sohn im Weltcup angekommen ist, kehrte der renommierte Coach übrigens wieder in seine Heimat zurück und heuerte an der Burke Mountain Academy in Vermont an. Berühmteste Absolventin ist Mikael Shiffrin.

Riesentorlauf Alta Badia

1. Alexis Pinturault (FRA) 2:27,19 Min.
2. Atle Lie McGrath (NOR) +0,07 Sek.
3. Justin Murisier (SUI) +0,24

Weiters: 4. Odermatt (SUI) +0,28 5. Ford (USA) +0,41 6. Kilde (NOR) +0,76 8. Brennsteiner (AUT) +0,91 21. Schwarz (AUT) +1,66 22. Leitinger (AUT) +1,73. Ausgeschieden u. a.: Feller (AUT).

ÖSV-LICHTBLICK

Stefan Brennsteiner sorgte als Achter in Alta Badia für das erste Top-Ten-Ergebnis eines ÖSV-Riesentorläufers in diesem Winter. Der Halbzeit-Neunte Roland Leitinger fiel auf Platz 22 zurück.

Der ÖSV ist nun seit 18 Weltcuprennen (Damen und Herren je 9) sieglos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2020)

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