Virologe Christian Drosten geht davon aus, dass die neue Coronavirus-Mutation schon in Deutschland ist. Man dürfe sich von der Mutation nicht aus der Ruhe bringen lassen. Viele Daten in Großbritannien seien noch auszuwerten.
Die mutierte Variante des Coronavirus Sars-CoV-2 ist nach Einschätzung des Virologen Christian Drosten bereits in Deutschland angekommen, für ihn aber vorerst kein Grund zur Sorge. "Es ist schon in Italien, in Holland, in Belgien, in Dänemark, sogar in Australien, warum sollte es nicht in Deutschland sein", sagte der Berliner Forscher im Deutschlandfunk. "Davon darf man sich jetzt auch wirklich nicht irgendwie aus der Ruhe bringen lassen."
Er wolle allerdings auch nicht verharmlosen, vieles sei noch unklar rund um die in Großbritannien stärker aufgetretene Erregerart. Von dort sind ab Mitternacht Flüge nach Österreich verboten.Viele andere Länder haben bereits reagiert und Flugverbote erlassen, auch in Deutschland dürfen seit Mitternacht keine Maschinen aus Großbritannien mehr landen.
„Unklare Informationslage"
Drosten sagte, er sei wie alle anderen auch in einer "etwas unklaren Informationslage". Ob die neue Virus-Variante tatsächlich deutlich ansteckender sei, könne noch gar nicht bewertet werden. Dafür müssten noch mindestens diese Woche Informationen aus Großbritannien abgewartet werden. Schließlich habe es dort regional unterschiedlich strenge Corona-Maßnahmen gegeben. Deshalb sei die Frage, ob die Virus-Variante überhaupt für regional stark steigende Infektionszahlen verantwortlich sei oder eher ein nicht so strenger Lockdown. "Spült dieses Virus mit dieser Welle hoch, oder ist das Virus dafür verantwortlich, dass diese Welle entstanden ist?", resümierte Drosten.
In Großbritannien sei die neue Variante schon im September entdeckt worden, sagte der Forscher weiter. Auch in Holland sei sie schon Anfang Dezember zufällig gefunden worden, dort aber nicht "hochgekocht". So werde es auch in vielen anderen Ländern sein. Auch bei der Impfung gab Drosten Entwarnung: Er erwarte nicht, dass die Virus-Art Impfungen weniger effektiv mache.
Italien bestätigte am Montag, dass die Virus-Mutation bei einer Patientin nachgewiesen wurde, bestätigte das Gesundheitsministerium. Die Frau sei zusammen mit einer weiteren Person in den vergangenen Tagen aus Großbritannien zurückgekehrt und mit dem Flugzeug in Rom gelandet. Die Italienerin ist symptomfrei. Sie befindet sich mit ihrem Lebensgefährten in Heimquarantäne in ihrer Wohnung in Rom. Der britische Partner sei
ebenfalls positiv und symptomfrei, wie die italienischen
Gesundheitsbehörden mitteilten.
Ähnlich der Mutation in Südafrika
Die in Großbritannien grassierende Virus-Variante hat Ähnlichkeiten mit einer Mutation in Südafrika. "Die Variationen in England und Südafrika sind ähnlich, aber vermutlich unabhängig voneinander entstanden", sagte der deutsche Wissenschaftler Wolfgang Preiser, Leiter der Abteilung für Medizinische Virologie an der Universität von Stellenbosch in Südafrika, der "Welt" (Montag).
Auch die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC teilte in einer Gefahreneinschätzung vom Sonntag mit, die Variante in Südafrika habe "keine enge evolutionäre Beziehung" zu jener in Großbritannien. Sie zeige aber, dass die Entstehung erfolgreicher Varianten mit ähnlichen Eigenschaften womöglich nicht selten sei. Die Schweiz verbietet wegen der in aufgetretenen Coronavirus-Varianten sowohl Einreisen aus Großbritannien als auch aus Südafrika.
Impfstoff vor Zulassung in EU
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat am Montag die Zulassung des ersten Impfstoffs in der EU empfohlen. Damit steht einer Zulassung durch die EU-Kommission nichts mehr im Weg. Der wichtige Schritt schürt Hoffnungen, dass in Europa in der Pandemie eine Wende eingeleitet werden kann.
Diese Hoffnungen waren zuletzt durch die neue Virus-Variante getrübt worden. Die britische Regierung hatte am Samstag erklärt, die Corona-Infektionen seien zuletzt wegen einer Mutation des Virus kräftig gestiegen. Diese solle bis zu 70 Prozent ansteckender sein als die bisherige Variante.
(APA/Reuters/Red.)