Morgenglosse

Impfen? Nicht so bescheiden sein, Herr Minister!

imago images/Sven Simon
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Es gäbe gute Gründe, bei der Verteilung des Corona-Impfstoffs Politiker vorzuziehen.

Joe Biden und Mike Pence haben es in den USA getan, Israels Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, ließ sich sogar als Erster seines Landes gegen Corona impfen. Bei uns mahnt Gesundheitsminister Rudolf Anschober aber trotz seines Ja zur Impfung noch Zurückhaltung von Politikern ein.

„Manche meinen, das sei dann das Privileg der Politik“, entgegnete er in der „ZiB 2“ der Idee, sich rasch impfen zu lassen. „Dann, wenn die normale Bevölkerung drankommt, dann sollten aus meiner Sicht auch die Politiker drankommen“, sagte Anschober. Der Einwand, das sei aber erst im April oder Mai, störte Anschober nicht weiter.

Tatsächlich spräche aber viel dafür, Politiker bald zu impfen. Weniger, um Verschwörungstheoretiker zu überzeugen (sie fantasieren dieser Tage ohnedies, dass eine Nadel auf den Impffotos Prominenter fehle). Sondern weil Politiker viele andere Menschen im Land treffen. Nun soll ein Minister nicht dem 90-jährigen Heimbewohner unterm Christbaum den ersten Impfstoff wegnehmen. Aber dass man Schlüsselkräfte eines Staats mit vielen Sozialkontakten in der Reihung etwas vorzieht, ist auch sachlich gerechtfertigt.

Und ein bisschen eine Vorbildwirkung hat ein Politiker für Impfskeptiker (nicht jeder davon ist ja gleich ein Verschwörungstheoretiker) schon auch. Also: Nicht so bescheiden sein, Herr Minister!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2020)

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