Bundesheer

Teiltaugliche bekommen Pfefferspray statt Sturmgewehr

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Die Kriterien für die Tauglichkeit werden herabgesetzt. Damit stehen Heer und Zivildienst 2000 junge Männer zusätzlich zur Verfügung.

Die im Regierungsprogramm angekündigte Einführung der „Teiltauglichkeit“ wird ab 1. Jänner umgesetzt. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) verzichtet dabei auf die ursprünglich geplante gesetzliche Regelung und setzt den Regierungsplan um, indem sie die Kriterien für die Tauglichkeit per Erlass herabsetzt. Damit sollen mehr junge Männer wehrpflichtig werden – allerdings nicht ganz so viele wie eigentlich geplant.

Derzeit werden rund 10.000 Stellungspflichtige, das sind 30 Prozent jedes Jahrganges, für untauglich erklärt. Nach den neuen Regeln sollen 2000 Taugliche dazukommen, damit sinkt die Rate der Untauglichen auf 25 Prozent. 800 davon werden Zivildienst machen, 1200 den Wehrdienst absolvieren.

Einsatz nach Maß

Einen „Präsenzdienst nach Maß“ wird es künftig für jene geben, die aufgrund der neuen Kriterien doch für tauglich erklärt werden. Die Ausbildung und der Einsatz während des Grundwehrdienstes werden an die jeweiligen Einschränkungen angepasst. Tanner nannte am Dienstag das Beispiel eines an der Schulter verletzten Sportlers, der als Kraftfahrer eingesetzt werden könnte. Am Sturmgewehr wird er aufgrund der Schulterverletzung nicht ausgebildet, wohl aber erhält er einen Pfefferspray als Waffe.

Die Waffe ist wichtig: Aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts aus den 80er-Jahren ist für den Grundwehrdienst unbedingt erforderlich, dass die Verpflichteten eine militärische Ausbildung bekommen und die körperlichen Voraussetzungen aufweisen, um auch eine Waffe zu bedienen. Die zusätzlichen Grundwehrdiener sollen in ihren angestammten Berufen eingesetzt werden, als Koch, Kraftfahrer, Kfz-Mechaniker oder für Bürodienste. Damit sollen voll Taugliche, die bisher als Systemerhalter eingesetzt waren, für die militärische Ausbildung freigespielt werden.

Die Teiltauglichen bekommen eine Sonderstellung im Grundwehrdienst: Sie werden nur nahe ihrem Wohnsitz eingezogen, dürfen zu Hause schlafen, können sich aber auch nicht zur Miliz verpflichten. Ein Mindestmaß an körperlichen Voraussetzungen ist auch für sie vorgeschrieben: Sie müssen 1600 Meter gehen, den Abwehrspray einsetzen, Erste Hilfe leisten und die ABC-Schutzausrüstung handhaben können.

Einen Einsatz nach Maß wird es auch im Zivildienst geben, kündigte Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) an. Man werde die Zivildiener entsprechend ihren körperlichen Voraussetzungen einsetzen. Sie erwartet, dass mit den zusätzlichen Zivildienern die Bedarfsdeckung um fünf bis sechs Prozent gesteigert werden kann.

Alleingang der ÖVP

Bei der Senkung der Tauglichkeitskriterien handelt es sich offensichtlich um einen ÖVP-Alleingang in der Regierung. Im September hatte es noch einen Gesetzesentwurf für die rechtliche Umsetzung der Teiltauglichkeit gegeben, der nach kritischen Stellungnahmen der Grünen aber in der Schublade verschwand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2020)

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