Kompromissvorschlag

Das Brexit-Finale riecht nach Fisch

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London brachte mit neuem Vorschlag zur Fischerei Bewegung in die Verhandlungen mit der EU. Brüssel spricht von einem „letzten Anlauf“ auf ein Handelsabkommen nach der Brexit-Übergangsphase zum Jahreswechsel.

Doch noch ein Weihnachtswunder mit Hering statt Karpfen? Wenige Tage vor Ablauf der Übergangsfrist des Brexit kam am Dienstag Bewegung in die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien über ein künftiges Handelsabkommen. EU-Chefverhandler Michel Barnier sprach von einem „letzten Anlauf“. In einer der heikelsten Streitfragen, der Fischerei, zeigte London Kompromissbereitschaft und setzte damit die EU-Verhandler unter Druck, auch ihrerseits der britischen Regierung ein Stück entgegenzukommen.

Ein Handelspakt in letzter Sekunde scheint damit wieder möglich. Nach Medienberichten könnten die EU-Fischkutter laut dem britischen Vorschlag zunächst fünf Jahre unveränderten Zugang zu britischen Gewässern haben, der dann sukzessive um 35 Prozent reduziert würde. In EU-Kreisen äußerte man sich ablehnend dazu, bestätigte aber, dass es Bewegung gebe. Dem Vernehmen nach besteht Brüssel auf eine Reduzierung von lediglich 25 Prozent.

Die entsprechende Lösung skizzierte ein ehemaliges Mitglied des britischen Verhandlungsteams in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal „Politico“, Raoul Ruparel. Im Gegenzug für die zunächst unveränderte Fangquote der EU-Flotten sollen die Briten weiterhin die Möglichkeit erhalten, ihre Fische zollfrei auf den europäischen Markt zu bringen. Flankiert werden soll das mit der Möglichkeit für Brüssel, Zölle einzuführen für den Fall, dass die Briten den Zugang für Fischer aus der EU während dieser Zeit einengen – jedoch nur in von unabhängiger Seite festgelegter Höhe.

Der „Financial Times“ zufolge bestätigten EU-Kreise, dass es ein Angebot dieser Art aus London gegeben habe. Später berichtete die Nachrichtenagentur „Bloomberg“ ebenfalls unter Berufung auf EU-Kreise, dass die EU die jüngsten Zugeständnisse Großbritanniens bei der Fischerei abgelehnt habe. Spekulationen über einen nahen Durchbruch seien verfrüht, hieß es.

Laut EU-Experten gebe es beim Streitthema Fischerei mehrere Optionen für einen Kompromiss. Bestünde ausreichend Wille zu einer Lösung, so seien mehrere Varianten möglich, um beide Seiten zufriedenzustellen. Weit schwieriger war zuletzt die Kompromisssuche beim zweiten Knackpunkt, den Wettbewerbsregeln. Zwar gab es in den vergangenen Wochen auch hier eine Annäherung, ob diese aber für eine Einigung reicht, wollte am Dienstag keine Seite bestätigen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte noch vor wenigen Tagen dazu erklärt: Die Briten seien mit ihren Produkten am Binnenmarkt willkommen: „Aber sie müssen entweder nach unseren Regeln spielen, denn das ist eine Frage der Fairness für unsere Firmen im Binnenmarkt, oder die andere Option ist, dass sie einen Preis zahlen, und der Preis sind Zölle.“

EU besteht auf Sanktionsoption

Damit spielte von der Leyen auf einen Mechanismus an, der faire Wettbewerbsbedingungen sichern soll: Weicht Großbritannien von EU-Standards ab, könnte die EU Zölle verhängen. Die EU-Seite besteht auf diese Möglichkeit, mit Sanktionen gegen Verstöße reagieren zu können.

Großbritannien war Ende Jänner offiziell aus der EU ausgetreten, der es seit 1973 angehört hatte. Am 31. Dezember endet die Übergangsphase, in der das Königreich noch EU-Regeln anwenden muss. Danach droht ohne ein Handelsabkommen Chaos. Experten rechnen in diesem Fall mit höheren Zöllen auf viele Produkte sowie langen Wartezeiten an den Grenzen.

Die Zeit für eine Einigung drängt. Denn ein Deal müsste noch rund um Weihnachten im Eilverfahren in diversen Parlamenten abgesegnet werden. Zahlreiche Fristen waren zuletzt ohne Ergebnis verstrichen. London hatte eine Verlängerung der Übergangsfrist stets ausgeschlossen.

(Ag./wb)

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