Buchbesprechung

„Wohin kein Regen fällt“: Zu Haus und in der Fremde

(c) Lenos
  • Drucken

Amjad Nasser erzählt von Exil und Heimat, von Menschen und Orten, die er verlassen und wiedergefunden oder verloren hat.

Eine Seuche wütet in der Stadt, in der Jûnis al-Chattât lebt. Ein Corona-Roman, denkt man. Das ist es nicht. Amjad Nasser, 2019 verstorben, hat das Buch vor mehr als zehn Jahren geschrieben. Und ähnlich wie in Camus' „Pest“ steht die Seuche für den Zustand der Gesellschaft, ist ein Zeichen.

Überhaupt spielen Symbole eine große Rolle, wenig verwunderlich, Nasser war in erster Linie Lyriker. Wie sein Erschaffer verfolgt auch die Figur politische Ziele. Jûnis schließt sich einer Untergrundorganisation an und muss seine Heimat – Hâmija genannt – verlassen. Der Name habe ursprünglich „militärische Befestigung“ bedeutet. Solch einen Staat gibt es nicht, auch das ein Symbol. Schließlich fühlte sich der Protagonist auch dort unbehaust, wurde die Heimat für ihn zur Bedrohung.

Zwanzig Jahre später kehrt er zurück – er weiß, wer lang im Ausland gelebt hat, will, dass zu Hause alles bleibt, wie es war, als er gegangen ist – und auch, dass das unmöglich ist. Die Staatssicherheit aber funktioniert wie eh und je. Jûnis wird verhört und erzählt, was die Beamten längst wissen. Viel härter noch als diese Bürokraten des Todes geht Jûnis mit sich selbst ins Gericht und zieht Bilanz. Auch über das Leben im Exil. Dort hat er in den U-Bahn-Schächten ein Plakat gesehen, das für Hâmija wirbt – einen Ort, an dem kein Regen fällt. Für Londoner ist das eine Verheißung. Solch hintergründiger Humor blitzt immer wieder auf. Vor allem aber ist das Buch – einem Lyriker entsprechend – ein Sprachfeuerwerk. cle

Amjad Nasser: „Wohin kein Regen fällt“, übersetzt von Regina Karachouli, Lenos, 312 S., 25,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.