Mordanschlag

Nawalny-Vergiftung: Ärzte veröffentlichen Bericht

imago images/Reiner Zensen
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Im Fachmagazin "The Lancet" publizierten die Ärzte der Berliner Klinik Charité, wo der russische Oppositionspolitiker behandelt worden war, ihren Bericht über den Anschlag auf ihn mit dem russischen Supergift Nowitschok.

Zu der von Russland bestrittenen schweren Vergiftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny mittels eines chemischen Super-Kampfstoffs haben Ärzte der Berliner Klinik Charité in der Fachzeitschrift "The Lancet" einen medizinischen Bericht veröffentlicht. "In der Charité wurde eine schwere Vergiftung mit einem Cholin-Esterase-Hemmstoff diagnostiziert", teilte die Klinik am Mittwoch mit.

Die Mediziner zeichnen in dem Artikel auf vier Seiten erstmals öffentlich nach, welche Symptome das von Moskau in den 1980er-Jahren entwickelte Nervengift der „Nowitschok"-Gruppe auslöst. Demnach fiel Nawalny in ein Koma, der Herzschlag verlangsamte sich massiv, die Körpertemperatur sank auf 34,4 und zeitweise 33,5 Grad Celsius, hieß es in dem Artikel, der mit Einverständnis des Patienten erschien.

Russland bestreitet bis heute, dass Nawalny am 20. August in der sibirischen Stadt Tomsk von Agenten vergiftet worden sei. Die Symptome setzten kurz nach dem Start an Bord eines Flugzeugs mit Kurs Moskau ein, die Maschine landete dann frühzeitig in Omsk, wo Nawalny ins Spital kam. Zuletzt gab es Hinweise, dass das Gift in eine Unterhose Nawalnys platziert wurde, bevor er diese anzog. Er hatte vor dem Flug in einem Hotel genächtigt, Zeugen zufolge sei sein Zimmer zeitweise von seinen Mitarbeitern und/oder politischen Anhängern nicht beaufsichtigt gewesen.

>>> Zur Geschichte des Supergifts Nowitschok

Ärzte in der Klinik in Omsk hatten dem 44-Jährigen zum Entsetzen anderer Kollegen auch außerhalb Russlands lediglich eine Stoffwechselstörung und Unterzuckerung bescheinigt. Moskau hatte immer wieder Beweise für eine Vergiftung gefordert. Nach diplomatischem Druck und der Bitte von Nawalnys Ehefrau Julia bei Präsident Putin durfte Nawalny im Zuge einer privaten Initiative nach Berlin zur weiteren Behandlung ausgeflogen werden.

Mehrere Labors konstatierten Nowitschok

Die Ärzte der Charité dort verwiesen darauf, dass sie Nawalny gleich nach seiner Ankunft am 22. August Blut- und Urinproben abgenommen hätten. Ein Bundeswehr-Labor fand später heraus, dass es sich bei dem Gift um einen verbotenen Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe handelte. Das wurde von weiteren Labors in Frankreich, Schweden, und bei der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag bestätigt. Russland tut die Vorwürfe als politische Kampagne ab.

Die Ärzte verglichen die Wirkungsweise des Nervengifts Nowitschok mit denen von Organophosphaten, die zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden. Sie vermuten, dass Nawalny überlebte, weil er nach Einsetzen der Symptome sehr schnell behandelt wurde - unter anderem mit dem als Gegengift genutzten Atropin und mit künstlicher Beatmung.

APA/AFP/Instagram account @naval

Nawalny hatte dem Bericht zufolge großes Glück, dass der Anschlag nicht schlimmer ausgegangen ist. "Sein guter Gesundheitsstatus vor der Vergiftung hat wahrscheinlich seine Erholung begünstigt", heißt es.

Der Oppositionelle, auf den früher schon Attacken verübt worden waren (wenngleich mit weit weniger giftigen Chemikalien, etwa Desinfektionsmitteln, und das eher als Zeichen der Einschüchterung) macht ein unter dem Befehl von Wladimir Putin agierendes Killerkommando des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich für den Giftanschlag. Der Kreml weist das zurück und wirft Nawalny "Verfolgungswahn" vor.

Deutschland und andere Staaten halten Russland für den Anschlag verantwortlich. Russland reagierte auf Sanktionen der EU im Fall Nawalny mit Gegensanktionen.

Evgeny Feldman/CC BY-SA 4.0

(APA/DPA/red.)

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